Mitwirkungsrechte des Betriebsrates können sehr umfangreich sein
Facebook-Accounts von Unternehmen, die auch Kommentare von Nutzern über die Mitarbeiter zulassen, können der Mitbestimmung des Betriebsrates unterliegen
Viele Unternehmen nutzen die Möglichkeit auf Facebook mit eignen Accounts präsent zu sein. Dabei ist es auch möglich, dass Nutzer Ereignisse kommentieren oder auch die Arbeitsleistung von Mitarbeitern/innen bewerten.
Deutsches BAG hat sich damit beschäftigt
Mitwirkungsrechte des Betriebsrates bei betrieblichem Facebook-Account auch in Ö?
Das deutsche Bundesarbeitsgericht hat sich mit dieser Frage beschäftigt (BAG, 1 ABR 7/15)
Im deutschen Betriebsverfassungsrecht gibt es eine Regelung zur Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Derartige Systeme dürfen nur mit Zustimmung des Betriebsrates eingeführt und/oder betrieben werden. Werden solche technischen Einrichtungen in Betrieb genommen, ohne dass der Betriebsrat damit befasst wurde, und zugestimmt hat, kann der Betriebsrat das Unternehmen auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen.
Der Sachverhalt vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG):
Ein Arbeitgeber betreibt eine Facebook-Seite (vorwiegend zu Marketingzwecken). Auf dieser Seite ist es – wie allgemein üblich - Facebook-Nutzern möglich, Postings zu veröffentlichen, die sich nach ihrem Inhalt (auch) auf das Verhalten oder die Leistung einzelner Beschäftigter beziehen können.
Es stellten Nutzer Postings auf Facebook ein, die sich auf das Verhalten der Arbeitnehmer während der Dienstzeit bezogen haben.
Der Konzernbetriebsrat machte in einem Verfahren geltend, dass die Einrichtung und der Betrieb der Facebook-Seite mitbestimmungspflichtig sei, und sohin die Seite ohne die Zustimmung des Betriebsrates nicht betrieben werden dürfe. Der Arbeitgeber habe dadurch die Möglichkeit, durch eine technische Einrichtung, das Verhalten und/oder die Leistung der Mitarbeiter zu überwachen. Nutzer könnten durch die Postings über das Verhalten und/oder die Leistung der Mitarbeiter im Betrieb öffentlich äußern. Dies erzeuge einen erheblichen Überwachungsdruck.
Nach Ansicht des BAG unterliegt der Mitbestimmung durch den Betriebsrat die Entscheidung der Arbeitgeberin, Postings unmittelbar zu veröffentlichen. Soweit sich diese auf Facebook veröffentlichten Mitteilungen auf das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern beziehen, führt das zu einer Überwachung von Arbeitnehmern durch eine technische Einrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.
Die Rechtslage in Österreich ist ähnlich.
Nach § 96 (1) Z 3 ArbVG ist die Zustimmung des Betriebsrates notwendig, wenn ein Betriebsinhaber Kontrollmaßnahmen oder technische Systeme zur Kontrolle von Arbeitnehmern einführt, sofern ein derartiges System oder die Maßnahme die Menschenwürde berührt. In Österreich ist z.B. die Einführung einer Telefonanlage, die die Anrufdaten (nicht die Gespräche) der Mitarbeiter aufzeichnet, zustimmungspflichtig.
RS 0116694, 8ObA288/01p
Die Einrichtung einer automationsunterstützten Telefonregistrieranlage im Betrieb bedarf, soweit sie personenbezogene Daten erfasst, immer der Zustimmung des Betriebsrates; sie ist - je nach Intensität des Eingriffs - absolut oder ersetzbar zustimmungsabhängig.
Es kommt nach der Judikatur nicht darauf an, ob die „Kontrolle“ tatsächlich ausgeübt wird, sondern ob die Kontrolle durch das technische System möglich ist.
Auf Basis der bisherigen Judikatur (die z.B. auch GPS-Aufzeichnungen von KFZ von Mitarbeitern als mitbestimmungspflichtig ansieht, OLG Linz 24.3.201, OLG Wien 29.8.2013) kann man davon ausgehen, dass jede Facebook-Seite eines Unternehmens, auf der auch Postings von Nutzern erfolgen können, die das Verhalten der Mitarbeiter betreffen können, eine mögliche Kontrollmaßnahme darstellt. Da das Unternehmen die Facebook-Seite und die Postings, die öffentlich zugänglich sind, beobachten und gegebenenfalls auch auswerten kann, ist diese grundsätzlich geeignet, die Mitarbeiter (auch in Bezug auf Ihre Tätigkeit) zu kontrollieren.
Eine Betriebsvereinbarung zum Betrieb einer derartigen Facebook-Seite mit Kommentar/Postingfunktion erscheint daher jedenfalls angebracht, wenn das Unternehmen nicht riskieren möchte, dass der Betriebsrat einen Unterlassungsanspruch im Namen der Belegschaft durchsetzt. Dies wird insbes. dann möglich sein, wenn bereits Postings vorhanden sind, die sich auf die Leistung und/oder das betriebliche Verhalten der Mitarbeiter (sowohl positiv wie auch negativ) beziehen.
Wenn kein Betriebsrat vorhanden ist, dann ist gem. § 10 AVRAG die Zustimmung der Arbeitnehmer notwendig, und zwar jedes einzelnen.
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