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Die Umsetzungsmöglichkeiten von Abbiegeassistenten und datenschutzrechtliche Fragen



Abbiegeassistenten für LKW sind derzeit in der öffentlichen Debatte. Videoaufzeichnungen des öffentlichen Raums stellen jedoch eine datenschutzrechtliche Herausforderung dar, die in der Diskussion derzeit noch nicht beleuchtet wurde.


Obwohl oder vielmehr gerade weil es keine gesetzliche Grundlage für verpflichtende Abbiegeassistenten gibt und auch in naher Zukunft nicht geben wird, lohnt sich eine Betrachtung aus datenschutzrechtlicher Sicht. Eine gesetzliche Regelung wäre gleichzeitig eine die Zulässigkeit der Bildverarbeitung rechtfertigende Voraussetzung gem Art 12 Abs 2 DSGVO. Ohne diese gesetzliche Regelung ist zur rechtmäßigen Bildverarbeitung eine alternative Zulässigkeitsvoraussetzung notwendig.

 

Der tote Winkel als Problem

 

Seit im Jänner ein Neunjähriger von einem rechts abbiegenden LKW erfasst und getötet wurde, geht eine Diskussion zum Thema Abbiegeassistent durch Österreich. Ein besonders großes Problem stellt der tote Winkel bei LKWs dar. Sie haben aufgrund ihrer Größe und Konstruktion nur einen eingeschränkten direkten Sichtradius. Trotz der sechs vorgeschriebenen Spiegel bei LKWs bleibt ein nicht zu unterschätzender Bereich um das Fahrzeug für den Fahrer im Verborgenen.

 

Die technischen Lösungsmöglichkeiten

 

Um Unfälle beim Abbiegen mit technischen Hilfsmitteln zu verhindern, gibt es im Wesentlichen drei Lösungsansätze. Die nachfolgenden Ansätze finden sich in der Praxis beliebig kombiniert und mit weiteren Sensoren und Anzeigeelementen ergänzt.

 

 

 

Variante 1 ist ein radarbasiertes System, welches Objekte im toten Winkel erkennt und diese dem Fahrer signalisiert. Diese Variante findet bereits in PKWs vermehrt Anwendung. Es findet keinerlei Videoüberwachung statt. Der Fahrer wird lediglich über sich bewegende Objekte im Gefahrenbereich informiert. Eine Anwendung des Datenschutzrechts scheitert hier bereits daran, dass keine personenbezogenen Daten verarbeitet werden.

 

 

 

Bei Variante 2 handelt es sich um ein kamerabasiertes System bei dem die Videodaten sofort per Algorithmus ausgewertet werden, um bewegte Objekte im Umfeld des LKWs aufzuspüren. Hierbei werden in Echtzeit Farbveränderungen in der Bildfrequenz erkannt und als bewegtes Objekt gemeldet. Der Fahrer wird auch hier vor bewegten Objekten im Gefahrenbereich optisch und/oder akustisch gewarnt.

 

 

 

Die für den Datenschutz wohl relevanteste Umsetzung eines Abbiegeassistenten ist Variante 3. Hierbei handelt es sich um ein kamerabasiertes System, welches mit Hilfe eines Weitwinkelobjektivs dem Fahrer einen Überblick über den sonst nicht sichtbaren Bereich neben dem Fahrzeug ermöglicht. Bei dieser Umsetzung sieht der Fahrer, im Vergleich zu den anderen beiden Varianten, tatsächlich ein Bild des Gefahrenbereiches.

 

Die Problematik mit dem Datenschutz

 

So vielfältig die möglichen Umsetzungsvarianten von Abbiegeassistenten sind, so verschieden wird auch die Antwort auf die Frage lauten, ob es denn ein Problem aus Sicht des Datenschutzes gibt.

 

 

 

Wie bereits ausgeführt, gibt es keine gesetzliche Grundlage für die Zulässigkeit einer Bildverarbeitung im Rahmen von Abbiegeassistenten. Die Zulässigkeit einer Bildaufnahme muss sich daher aus einem anderen Grund, wie dem überwiegendem berechtigten Interesse des Verantwortlichen, ergeben. (§ 12 Abs 2 Z 4 DSG) Entsprechend dem Grundsatz der Datenminimierung müssen personenbezogenen Daten dem Zweck nach angemessen und im Hinblick auf den Zweck der Verarbeitung auf das notwendige Maß beschränkt sein.

 

 

 

Das „Worst Case“ Scenario für eine Umsetzung aus datenschutzrechtlicher Sicht wird wohl ein 360° Kamerasystem sein. Ein Derartiges nützt die Dimensionen des LKWs um den Blick nicht nur im nahen Umfeld des Fahrzeuges zu ermöglichen, sondern auch in Bereichen, die für die Gefahrenvermeidung längst nicht mehr relevant sein können. Zusätzlich speichert dieses Scenario sämtliche aufgenommenen Bilder für unbegrenzte Zeit.

 

 

 

Eine Kamera im Fahrzeug ist für den Datenschutz und die Datenschutzbehörde nichts Neues. So gibt es bereits Entscheidungen, etwa zur Unzulässigkeit von Dashcams (GZ DSB-D485.000/0001-DSB/2018) oder zur Videoüberwachung durch Private. Im Gegensatz zu einer Dashcam, bei der eine manuelle Auslösung zum Missbrauch führen kann, ist dies bei einem automatischen Abbiegesystem (z.B. etwa an den Blinker gekoppelt) nicht möglich.

 

 

 

Um dem Datenschutz zu entsprechen, muss den technischen Lösungen, welche immer zahlreichere, immer hochwertigere und langfristige Daten versprechen, Einhalt geboten werden. Ein berechtigtes Interesse an einer Datenverarbeitung im Rahmen eines Abbiegeassistenten kann jedenfalls nur soweit gehen, als es für den Zweck auch notwendig ist. Das Sichtfeld einer möglichen Kamera muss sich auf den tatsächlich, zur Gefahrenabwehr notwendigen Bereich erstrecken, in Richtung Boden gerichtet und eben nicht in die Ferne geschwenkt sein. Da eine Videospeicherung für einen Abbiegeassistenten keine notwendige Funktion ist, wird diese keinesfalls gerechtfertigt sein. Auch eine zeitliche Eingrenzung wird vorzunehmen sein, da eine dauerhafte Bilderfassung aus dem Blickwinkel eines Abbiegeassistenten wohl nicht gerechtfertigt sein wird. Eine Datenverarbeitung sollte daher auch nur bei einem Abbiegevorgang stattfinden.

 

 

 

Das berechtigte Interesse des Datenverarbeiters ist die Vermeidung von Unfällen, sowie deren Folgen. Das dem gegenüberstehende Interesse des Betroffenen wird geringwertiger sein. Insbesondere, da das Leben und die körperliche Integrität des Betroffenen durch die Bildverarbeitung geschützt werden.

 

 

 

Die Interessenabwägung einer Bildverarbeitung im Rahmen eines Abbiegeassistenten wird in strengen Grenzen der Notwendigkeit (zeitlich, örtlich, Speicherfunktion) zur Zweckerreichung wohl überwiegen. Eine Bildverarbeitung unter den angegebenen Umständen wird, im Rahmen eines Abbiegeassistenten, zulässig sein.

Linz, 25.02.2019, Autor:

Ing. Mag. Hannes Huber, LL.B.


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Kommentare: 1
  • #1

    Konstantin P. (Donnerstag, 28 Februar 2019 15:50)

    Sehr geehrter Herr Huber!
    Ein sehr interessanter Beitrag, der zum Nachdenken anregt. Der datenschutzrechtliche Theoretiker in mir gibt Ihnen vollkommen Recht und kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass es sich potentiell um die Verarbeitung von personenbezogenen Daten handelt.
    Der Praktiker in mir schreit jedoch empört auf. Meine folgenden Gedanken beziehen sich ausschließlich auf Bildverarbeitungen in Echtzeit - eine Speicherung sieht auch der Praktiker in mir kritisch. Kammerasysteme mit Bildübertragung in den Innenraum sind bei höherpreisigen PKWs seit Jahren verbaut (Rückfahrkameras - vor allem in gewerblich genutzten PKWs oftmals gesehen).
    Kommt man nun also zu dem Ergebnis, dass diese Systeme gleich zu behandeln sind, wie stationäre Videoüberwachungen in Echtzeit, so hat dies für den Verantwortlichen (Fahrzeughalter?, Fahrer?) die Folge, dass er sich zumindest über seine Pflichten gemäß Art 13 Gedanken machen sollte. Wäre die Folge, dass man an sämtlichen Fahrzeugen mit verbauten Kameras Hinweise anbringen muss? Wie umfangreich müsste man diese erfüllen?
    Vielleicht wäre ein möglicher Ausweg, dem Sinn und Zweck solcher Systeme stärkeres Gewicht zu geben, welcher gerade nicht auf die identifizierende Erfassung unbeteiligter Personen abzielt. Vielmehr werden die betroffenen Personen lediglich als zu schützendes Subjekt erfasst. Des Weiteren ist meines Erachtens fraglich, inwiefern bei einer nicht-systematischen kurzzeitigen Echtzeit-Videoübertragung überhaupt von einer Verarbeitung personenbezogener Daten gesprochen werden kann. Welche personenbezogenen Daten hat man denn tatsächlich verarbeitet, wenn man 20 Sekunden lang den Rückwärtsgang eines Autos mit Rückfahrkamera einlegt und zufällig ein Passant vorbei geht?
    Jedenfalls bin ich Ihnen sehr dankbar für diesen Beitrag, da er sehr gut zeigt, zu welchen Überlegungen man gezwungen wird, wenn die zu befolgenden Gesetze nicht zufriedenstellend sind.
    Beste Grüße,
    KP