Ein Allgemeinmediziner hat kein Recht auf Löschung aus (neutralen) Plattform. Es besteht ein Interesse des Betreibers und der Patienten an Information mit Bewertungen und Erfahrungsberichten. Wenn es "safeguards" gibt, die Mißbrauch verhindern, dann überwiegen die Interessen des Plattformbetreibers.
Die DSB hat 05.01.2019 (DSB-D123.527/0004-DSB/2018) entschieden, dass einem Mediziner, der auf einer im Internet zugänglichen Plattform gelistet ist, kein Recht zukommt, von dieser Plattform gelöscht zu werden.
Der Sachverhalt
Mit Schreiben vom 30.5.2018 forderte ein Allgemeinmediziner einen Plattformbetreiber auf, seine Daten zu löschen. Bei der Plattform handelt es sich um eine Arztsuch- und Bewertungsplattform.
Die Beschwerdegegnerin erklärt, dass es ein Interesse gäbe, ein vollständig öffentliches Verzeichnis aller niedergelassenen Ärzte zu führen und den Patienten die Möglichkeit zu geben, Erfahrungen zu diesen Ärzten zu lesen, zu veröffentlichen und die Arztsuche zu erleichtern.
Aus dem Beschwerdevorbringen ergab sich für die DSB – mit einigen Auslegungsschwierigkeiten – dass der (unvertretene und rechtsunkundige) Beschwerdeführer trotz der Tatsache, dass er die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes gem. § 16 ABGB (dafür sind die Zivilgerichte zuständig) behauptete, die Feststellung begehrte, dass durch die Veröffentlichtung seiner personenbezogenen Daten im Internet auf der Plattform eine Verletzung im allgemeinen Geheimhaltungsrecht des § 1 DSG vorliegt.
Weiters erkannte die DSB aus dem Vorbringen, dass auch die Verletzung des Rechts auf Löschung im Raum stand, da trotz der Aufforderung vom 30.5.2018 die Daten nicht gelöscht wurden.
Die Sachverhaltsfeststellungen der DSB:
Der Beschwerdeführer praktiziert als Arzt für Allgemeinmedizin und ist Mitglied bei der Ärztekammer für Wien. Die Beschwerdegegnerin betreibt unter der Domain www.med-search***.at ein Arztsuch- und Bewertungsportal. Die Berufsadresse, Telefonnummer, Ordinationszeiten, Diplome und Zertifikate sowie Name des Beschwerdeführers werden auf der Webseite www.med-search***.at in Form eines Arztprofils veröffentlicht. Diese Datensätze bezieht die Beschwerdegegnerin aus der Quelle https://www.praxisplan.at/ (einer Webpage der Ärztekammer für Wien).
Patienten können in Form einer Bewertungsskala (1 Punkt = geringste Zufriedenheit, 5 Punkte = höchste Zufriedenheit) einen Arztbesuch insgesamt bewerten, wobei auch eine Detailbewertung (in Hinblick auf Einfühlungsvermögen, Vertrauensverhältnis, Behandlung, Serviceangebot, Praxisausstattung, Betreuung in der Praxis, Wartedauer im Warteraum und Wartedauer auf Termin) möglich ist. Darüber hinaus können Patienten in Form eines Freitextfelds einen kurzen Erfahrungsbericht verfassen.
Auf der Website sind unterschiedliche Schutzmechanismen vorgesehen, die unwahre oder unsachliche Bewertungen von Ärzten verhindern sollen, nämlich eine Meldemöglichkeit sowie ein Bewertungsfilter zur Verhinderung von kurzfristigen Mehrfachbewertungen. Auch eine Kommentarfunktion für Ärzte ist implementiert.
Neben dem kostenlosen Eintrag, der vom Betreiber der Website erfolgt, gibt es auch unterschiedliche Möglichkeiten für kostenpflichtige Premium-Einträge für Ärzte.
Die Entscheidung der DSB
Bereits in einem anderen Verfahren (Bescheid vom 17.12.2018, DSB-D123.040/0006-DSB/2018); hat sich die DSB mit der Frage der Veröffentlichtung von Ärztedaten im Internet durch die Ärztekammer beschäftigt, und diese für zulässig erklärt. Die Berechtigung zur Veröffentlichung ergibt sich aus dem gesetzlichem Auftrag zur Führung einer elektronischen Liste („Ärzteliste“) der zur Berufsausübung berechtigten Ärzte und Gruppenpraxen gemäß § 27 Abs. 1 ÄrzteG 1998 ergibt.
Auch der OGH hat in docfinder.at II (6Ob48/16a, 27.06.2016) die Zulässigkeit bereits bestätigt.
Die DSB kommt zu folgendem Schluss bezüglich veröffentlichter Daten:
Gleichzeitig ist allerdings zu berücksichtigen, dass die ganz generelle Annahme des Nichtvorliegens einer Verletzung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen für zulässigerweise veröffentlichte Daten nicht mit den Bestimmungen der DSGVO vereinbar ist (vgl. den Bescheid der Datenschutzbehörde vom 31. Oktober 2018, GZ: DSB-D123.076/0003-DSB/2018 mwN).
Was heißt das?
Kurz gesagt bedeutet dies, dass nicht alle Daten, die veröffentlicht werden oder öffentlich zugänglich sind, von einem Verantwortlichen für beliebige eigene Zwecke verwendet werden dürfen.
Verknüpfung und Anreicherung
Auf der Plattform wurden nicht nur die (öffentlich verfügbaren) Daten vergleichbar mit einer Ärzteliste veröffentlicht, sondern es kam auch zu einer Verknüpfung mit Erfahrungsberichten und Bewertungen der User.
Diese Daten stellen einen informationellen Mehrwert dar und es werden neue Datensätze, die über eine Ärzteliste gem. § 27 ÄrzteG hinausgehen. Diese Kombination der Daten stellt eine Verarbeitung iSd der DSGVO dar und benötigt einen Erlaubnistatbestand iSd Art 6 DSGVO.
Der Beschwerdegegner berief sich auf das berechtigte Interesse gem. Art 6 Abs 1 lit f DSGVO, das auch einer Löschung der Daten gem. Art 17 DSGVO entgegensteht. „Sofern eine Interessenabwägung zugunsten des Beschwerdeführers ausfällt, wäre der gegenständlichen Beschwerde wegen einer Verletzung im Recht auf Löschung daher Folge zu geben und wären die personenbezogenen Daten des Beschwerdeführers mangels Rechtmäßigkeit der Verarbeitung zu löschen.“
Weiters müssen Daten nicht gelöscht werden (Art 17 Abs 3 lit a DSGVO), wenn die Verarbeitung zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information gemäß Art. 11 GRC (bzw. zur Ausübung des Rechts auf Freiheit der Meinungsäußerung gemäß Art. 10 EMRK) erforderlich ist.
Nach der Entscheidung der DSB führen beide Interessensabwägungen (berechtigtes Interesse iSd Art 6 Abs 1 lit f DSGVO; Freiheit der Meinungsäußerung) im konkreten Fall zum gleichen Ergebnis.
Der Beschwerdeführer hatte vorgebracht, dass die Bewertungen erhebliche Auswirkungen auf den sozialen und beruflichen Geltungsanspruch des Artzes haben können, und hat sich dabei insbes. auf die Rspr des BGH berufen. In der Entscheidung des BGH (23. September 2014 zur GZ VI ZR 358/13) wurde jedoch auch zugunsten der Plattform bzw. ihrer Nutzer geurteilt.
Kommt es zu einer für den Nutzer wahrnehmbaren Unterscheidung zwischen „Premium-Ärzten“ und sonstigen (gelisteten) Ärzten, dann verlässt die Plattform die Stellung als neutraler Informationsmittler und kann sich nur in geringerem Umfang auf das Grundrecht der Meinungs- und Medienfreiheit berufen. (BGH vom 20. Februar 2018 zur GZ VI ZR 30/17)
Derartige zu berücksichtigende Unterscheidungen werden auf der Plattform des Beschwerdegegners nicht getroffen, vielmehr werden auch bei Premium-Einträgen andere Ärzte in der Umgebung angezeigt, auch wenn diese keine Premium-Eintrag gebucht haben.
Nach Ansicht der DSB können (negative) Bewertungen auf der Plattform, die als marktdominierend bezeichnet wurde, tatsächlich Auswirkungen auf die Artzwahl haben. Die DSB geht jedoch davon aus, dass auch der Beschwerdeführer durch seine Leistungen die Möglichkeit hat, Bewertungen auf der Plattform zu erhalten.
In einem weiteren Absatz geht die DSB darauf ein, dass es immer wieder Personen geben werde, die die Plattform mißbrauchen können, und verweist auf die AGB des Beschwerdegegners, die dies verhindern sollen, sowie die technischen und administrativen Möglichkeiten zur Verhinderung derartigen Verhaltens von Usern.
Der Beschwerdeführer hat als Arzt daher auch Möglichkeiten gegen unsachliche oder unwahre Behauptungen vorzugehen, und ist diesen nicht schutzlos ausgeliefert. „Eine Gefahr der Stigmatisierung, Ausgrenzung oder Prangerwirkung ist im gegenständlichen Fall nicht erkennbar.“
Die DSB betont auch, dass die Bewertungen die berufliche Sphäre treffen, „also einem Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht. Der Beschwerdeführer muss sich daher von vornherein auf die Beobachtung seines Verhaltens durch eine breite Öffentlichkeit und auf Kritik an seinen Leistungen einstellen. Dies gilt insbesondere auch bei freiberuflich tätigen Ärzten, die ihre Leistungen in Konkurrenz zu anderen Ärzten anbieten.“
Die DSB sieht auch ein erhebliches Interesse von Patienten an Informationen über ärztliche Dienstleistungen, insbes. da es in Österreich die freie Arztwahl gäbe. „Durch ein Such- und Bewertungsportal, wie das durch die Beschwerdegegnerin betriebene, erhalten Personen, die sich mitunter nicht kennen, gerade erst die Möglichkeit, sich einfach und effizient über ein bestimmtes Thema auszutauschen und können Personen eine solche Plattform als zusätzliche Such- und Informationsquelle betreffend medizinische Versorgung und Gesundheitsleistungen heranziehen.“
Die Interessen des Betreibers der Plattform sowie der Patienten überwiegen nach Ansicht der DSB die Interessen des Arztes, der auf der Plattform mit seinen Daten und Bewertungen zu finden ist. Die Verarbeitung ist daher zulässig.
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