Recht auf Kopie nach Art 15 Abs 3 DSGVO?



Das LAG Baden-Württemberg hat in einem Urteil am 20.12.2018 ein sehr umfassendes Auskunftsrecht eines Arbeitnehmers bejaht.

 

 

Das LAG BW hat u.a. das Recht eines Arbeitnehmers bejaht, eine Kopie der Verhaltens- und Leistungsdaten zu erhalten.

 

 

Recht auf Kopie?

 

Nach dem vorliegenden Urteil des LAG BW Ansicht des LAG Baden-Württemberg kann ein/e Arbeitnehmer*In vom Arbeitgeber „eine Kopie seiner personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten, die Gegenstand der von ihr vorgenommenen Verarbeitung sind“ verlangen. Das Gericht legt das Recht auf Auskunft inkl. des Rechts auf Kopie offensichtlich sehr weit aus. Die Entscheidung ist noch nicht rechtkräftig.

 

Die (unklare) Rechtslage

 

In Art 15 Abs 3 DSGVO ist Folgendes geregelt:

 

Der Verantwortliche stellt eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung.“

 

Bedauerlicherweise finden sich keine konkreten Anhaltspunkte zum Umfang des Rechts auf Auskunft iSd Art 15 Abs 3 DSGVO (Recht auf Kopie) geht, und ob zB umfassende Unterlagen inkl. aller Emails oder sonstigen Aufzeichnungen der betroffenen Person vom Verantwortlichen zur Verfügung zu stellen sind.

 

Das Recht auf Kopie ist nicht uneingeschränkt, denn Art 15 Abs 4 DSGVO legt fest:

 

„Das Recht auf Erhalt einer Kopie gemäß Absatz 3 darf die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen.“

 

Auslegungsvarianten

 

Die Regelungen in Art 15 Abs 3 und Abs 4 DSGVO sind unklar, und es liegt noch keine höchstgerichtliche Judikatur vor.

 

Weite Auslegung: Nach dieser Ansicht sind vom Verantwortlichen alle „Dateninhalte“ über die betroffene Person zur Verfügung stellen; dies würde auch alle Emails, Verträge oder sonstige Dokumente (zB Anwesenheitslisten, Besprechungsprotokolle etc ...)  umfassen. Diese Ansicht vertritt u.a. auch Haidinger in Knyrim, DatKomm, RZ 35 zu Art 15 DSGVO: „Mit Kopien der Daten sind E-Mails, Datenbankauszüge etc gemeint, was im Hinblick auf Freitextfelder in Datenbanken durchaus riskant für den Verantwortlichen sein kann. Der Anspruch auf Datenkopie steht selbständig neben dem Anspruch auf inhaltliche Auskunft über die verarbeiteten Daten.“

 

Enge Auslegung: Nach dieser Ansicht ist Art 15 Abs 3 DSGVO lediglich ein „Hilfsanspruch“, der den Anspruch gem. Art 15 Abs 1 DSGVO konkretisiert und diesen Anspruch nicht erweitert.    

 

ausgewobene Auslegung: Nicht nur die Datenkategorien, sondern auch Inhalte werden der auskunftsersuchenden Person zur Verfügung gestellt. Die betroffene Person soll die Möglichkeit erhalten, durch diese Informationen die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung prüfen zu können.

 

Ansicht deutscher Aufsichtsbehörden.

 

Im 8. Tätigkeitsbericht des Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht für die Jahre 2017 und 2018  vom März 2019 dazu auf Seite 46 f. zum Schluss gekommen, dass einer betroffenen Person kein Recht auf die Zurverfügungstellung von Dokumenten oder Akten zukommt. (Hervorhebungen durch den Autor):

 

„7.2.2 Kopien von Unterlagen bei  Auskunft

 

Das Auskunftsrecht über gespeicherte personenbezogene Daten begründet keinen allgemeinen Anspruch auf Kopien von Dokumenten oder Akten.

 

Wir wurden oft gefragt, ob vollständige Kopien von Akten im Rahmen von Auskunftsersuchen von Verantwortlichen angefertigt und herausgegeben werden müssen.

 

Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO betrifft nach dem Wortlaut von dessen Abs. 1 eine Auskunftserteilung über die personenbezogenen Daten, die vom Verantwortlichen verarbeitet werden. Das bedeutet aber nicht regelmäßig die Herausgabe von allen Dokumenten, E-Mails etc., in denen z. B. der Name der betroffenen Person und eventuelle weitere Informationen über diese Person enthalten sind.

 

Nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO ist nur eine „Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind“, zur Verfügung zu stellen. Es ist hier jedoch nicht die Rede von Kopien der betreffenden Akten, von sonstigen Unterlagen usw.

 

Hierzu verwiesen wir auch auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 17.07.2014, Az. C-141/12 und C-372/12, in dem u. a. Folgendes ausgeführt wird:

 

„…In Fällen wie denen, die zu den Ausgangsverfahren geführt haben, folgt aus der in Rn. 48 des vorliegenden Urteils gegebenen Antwort, dass nur die Daten, die in der Entwurfsschrift über denjenigen … wiedergegeben sind, und die Daten, die gegebenenfalls in der Entwurfsschrift enthaltenen rechtlichen Analyse wiedergegeben sind, „personenbezogene Daten“ im Sinne von Art. 2 Buchstabe a der Richtlinie 95/46 sind. Folglich bezieht sich das Auskunftsrecht, auf das sich dieser Antragsteller gemäß Art. 12 Buchstabe a der Richtlinie 95/46 und Art. 8 Abs. 2 der Charta berufen kann, ausschließlich auf diese Daten …

 

Zur Wahrung dieses Auskunftsrechts genügt es, dass dieser Antragsteller eine vollständige Übersicht dieser Daten in verständlicher Form erhält, d. h. in einer Form, die es ihm ermöglicht, von diesen Daten Kenntnis zu erlangen und zu prüfen, ob sie richtig sind und der Richtlinie gemäß verarbeitet werden, so dass er gegebenenfalls die ihm in der Richtlinie verliehenen Rechte ausüben kann.“

 

Wegen der gleichgelagerten Regelung in Art. 15 Abs. 1 DSGVO im Vergleich zur früheren EUDatenschutzrichtlinie (dort Art. 12) sehen wir die vom EuGH in der zitierten Entscheidung aufgestellten Maßstäbe weiterhin als zutreffend an.“

 

Eine Klärung der Rechtsfrage, was unter „Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind,“ iSd Art 15 Abs 3 DSGVO zu verstehen ist, wird letztlich nur der EuGH bringen können.

 

03.04.2019, Autor:
Michael Schweiger, zert DSBA


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