Fällt die Echtzeitaufzeichnung von Bildern in den Anwendungsbereich des DSG oder der DSGVO?
Definition in § 12 DSG
§ 12 Abs 1 DSG definiert die „Bildaufnahme“ wie folgt:
Eine Bildaufnahme im Sinne dieses Abschnittes bezeichnet die durch Verwendung technischer Einrichtungen zur Bildverarbeitung vorgenommene Feststellung von Ereignissen im öffentlichen oder nicht-öffentlichen Raum zu privaten Zwecken. Zur Bildaufnahme gehören auch dabei mitverarbeitete akustische Informationen.
Eine Ausnahme, dass diese „Bilder“ aufgezeichnet oder gespeichert werden müssen, findet sich im Text des § 12 Abs 1 DSG nicht. § 12 Abs 1 DSG bezieht sich ausschließlich auf die Aufnahme, dh die Anfertigung von Bildern, wobei dieser Begriff mE nicht mit dem Begriff der Aufzeichnung (= Speicherung von Bildern) gleichzusetzen ist.
Der Gesetzgeber wollte „grundsätzlich alle Bildaufnahmen durch Verantwortliche des privaten Bereiches“ von den (restriktiven) Bestimmungen der §§ 12 und 13 DSG erfasst wissen, sofern nicht die Haushaltsausnahme des Art 2 Abs 2 lit c DSGVO greift oder andere Gesetze besondere Regelungen treffen (zB § 54 Abs 7 SicherheitspolizeiG). Ausgenommen vom Regelungsbereich der §§ 12 und 13 DSG ist die „Hoheitsverwaltung“, nicht jedoch die Privatwirtschaftsverwaltung zB Überwachung von öffentlichen Gebäuden im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung.
Die Echtzeitbildübertragung
Die Bildübertragung in Echtzeit (Echtzeitüberwachung) ist dadurch gekennzeichnet, dass Bilder von einem Ort (zB Parkplatz) an einen anderen Ort (zB Portierloge) übertragen werden, ohne dass eine Speicherung (Aufbewahrung) erfolgt.
Die Speicherung (= Aufbewahrung der Daten) dient bei der Videoüberwachung zur nachträglichen Feststellung und Identifikation von Schädigern, sobald der Verantwortliche einen Schaden an Sachen (oder auch Personen) bemerkt hat. Diese „Funktion“ entfällt bei der Echtzeitüberwachung, und damit greift diese sichtlich weniger in das Grundrecht auf Datenschutz bzw. Achtung des Privat- und Familienlebens ein.
Die Gründe für derartige Echtzeitbildübertragungen können unterschiedlich sein, zB die Feststellung von Verhalten auf entlegenen Plätzen des Betriebsgeländes zum Schutz von Personen oder Sachen, aber auch die Bildübertragung von Wetter- oder Panoramakameras von Tourismusverbänden, Schiliften oder Hotels fallen mE darunter.
Anhaltspunkt: § 13 Abs 2 DSG
Nach § 13 Abs 2 DSG sind alle Verarbeitungsvorgänge – außer in den Fällen der Echtzeitüberwachung – zu protokollieren.
Da in dieser Gesetzesbestimmung die Echtzeitüberwachung explizit (nur) von der Protokollierungsverpflichtung ausgenommen ist, ist im Umkehrschluss davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Echtzeitüberwachung in den (übrigen) Anwendungsbereich der §§ 12 und 13 DSG einschließen wollte.
Anhaltspunkt: DSFA-AV 10
In der DSFA-AV (Datenschutz-Folgenabschätzung Ausnahmeverordnung) der DSB findet sich eine Verarbeitungstätigkeit, die von der Verpflichtung zur Erstellung einer Datenschutz-Folgenabschätzung ausgenommen ist, nämlich die DSFA-AV 10 („Bild- und Akustikverarbeitung in Echtzeit).
In den Erläuternden Bemerkungen zur DSFA-AV wird ausdrücklich ausgeführt:
„Unter diese Ausnahme fallen Bild- und damit verbundene Akustikdatenverarbeitungen in Echtzeit.
Damit sind Kameraanwendungen gemeint, welche die Bilddaten (eventuell verbunden mit Tondaten) ausschließlich live übertragen.
Solche Anwendungen unterlagen vor dem In-Geltung-Treten der DSGVO nicht der Meldepflicht gemäß §§ 17 ff des Datenschutzgesetzes (DSG), BGBl. I Nr. 165/1999 idF BGBl. I Nr. 83/2013. Für Echtzeit-Videoüberwachungen galt die Spezialbestimmung des § 50c Abs. 2 Z 1 DSG 2000.
Voraussetzung für diese Ausnahme ist die Verfügungsbefugnis des Verantwortlichen über jene Bereiche, auf welche die Bild- und Tonübertragungsgeräte gerichtet sind sowie das Vorhandensein der geeigneten Kennzeichnung der Bild- und gegebenenfalls auch der Tonverarbeitung im Sinne des § 13 Abs. 5 DSG.
Fälle von verdeckten Ermittlungen (vgl. § 13 Abs. 6 DSG) werden von dieser Ausnahme hingegen nicht erfasst.
Ebenso wenig sind Bild- und Akustikdatenverarbeitungen, die an Orten betrieben werden, welche den höchstpersönlichen Lebensbereich von Personen darstellen, unter diese Ausnahme subsumierbar, unabhängig davon ob eine ausdrückliche Zustimmung eines Betroffenen vorliegt oder nicht“.
Wie bei allen Verarbeitungstätigkeiten ist auch bei einer Echtzeitüberwachung die Aufklärung der betroffenen Personen notwendig. Dies geschieht mit einem Hinweisschild bzw. auch einer Datenschutz-Information
Fazit
Die Echtzeitüberwachung fällt daher in den Anwendungsbereich der § 12 und 13 DSG und stellt eine Verarbeitungstätigkeit dar.
Dies bedeutet, dass die Echtzeitüberwachung
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einer Rechtsgrundlage (berechtigtes Interesse des Art 6 Abs 1 lit f
DSGVO: Schutz von Personen oder Sachen; Bildübertragung von touristisch interessanten Plätzen, um das Wetter an diesen Orten beobachten zu können; Bildübertragung von Eingangsbereichen, um
die Anzahl von Besuchern erkennen zu können …) bedarf,
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ausreichend zu kennzeichnen ist (siehe auch DSFA-AV 10; § 13 Abs 5 DSG und
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den betroffenen Personen eine allgemeine Datenschutzinformation gem. Art
13 DSGVO zur Kenntnis zu bringen ist.
· Die sonstigen Bestimmungen der Bildaufnahme (zB im höchstpersönlichen Lebensbereich nur dann zulässig, wenn eine Einwilligung vorliegt; § 12 Abs 4 Z 1 DSG; zur Unzulässigkeit der Kontrolle von Arbeitnehmern; § 12 Abs 4 Z 2 DSG) sind einzuhalten.
15.05.2019, Autor
Michael Schweiger, zert. DSBA
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