OLG Innsbruck:
Doch kein (immaterieller) Schadenersatz bei der Verarbeitung von Parteiaffinitäten durch die Post.
dataprotect hat sich heute (06.03.2020) vormittags beim Klagevertreter erkundigt, ob uU eine Entscheidung des OLG Innsbruck in der Angelegenheit "Schadenersatz/Post" vorliegt.
In einem Telefonat hat der Klagevertreter mitgeteilt, dass das OLG Innsbruck am heutigen Tag die Entscheidung zugestellt hat.
Das OLG Innsbruck hat die erstinstanzliche Entscheidung des LG Feldkirch vom August 2019 aufgehoben, und entschieden, dass der betroffenen Person in diesem Verfahren kein (immaterieller) Schadenersatzanspruch gegen die Österreichische Post AG zusteht.
(06.03.2020)
Im Telefonat hat der Klagevertreter mitgeteilt, dass das OLG Innsbruck davon ausgeht, dass ein Gefühlsschaden nicht nachgewiesen wurde, und - ähnlich den Fällen im Reiserecht - eine Erheblichkeitsschwelle gefordert wird, und eine betroffene Person daher tatsächlich eine Beeinträchtigung spüren muss, um einen Schadenersatzanspruch geltend machen zu können.
Wir werden Sie weiter auf dem Laufenden halten.
UPDATE - 08.03.2020 -
Der Klagevertreter MMag. Dr. Christian Wirtensohn hat freundlicherweise die Zustimmung erteilt, dass die Entscheidung von dataprotect veröffentlicht wird. Herzlichen Dank.
OLG Innsbruck - 13.02.2020, 1 R 182/19b
Kein immaterieller Schaden nach Art 82 DSGVO ohne Erheblichkeit.
Die erste Instanz (LG Feldkirch) hat Schadenersatz in Höhe von EUR 800,-- zugesprochen.
Das OLG Innsbruck sieht keinen Schaden, wenn es den Kläger „stört“, dass seine Parteiaffinitäten durch die Österreichische Post AG ohne Rechtsgrundlage verarbeitet werden, und er dadurch ein „Ungemach“ erleidet.
Hier die "Besprechung" der Entscheidung 1 R 182/19b, OLG Innsbruck 13.02.2020:
Das Oberlandesgericht Innsbruck beschreibt den Schaden in Zusammenhang mit Datenschutz-verletzungen als negative Gefühls-beeinträchtigungen und verweist auf Kerschbaumer-Gugu, Schadenersatz bei Datenschutzverletzungen [2019], S 60 f. und entscheidet dazu:
„für einen Zuspruch von immateriellem Schadenersatz zu fordern [ist], dass eine tatsächliche Beeinträchtigung in der Gefühlswelt des Geschädigten eingetreten ist“.
Jeder Datenschutzverstoß kann für kurze Zeit negative Gefühle bei den betroffenen Personen auslösen; daraus ist jedoch nicht zu schließen, dass „automatisch mit jedem DSGVO-Verstoß ein immaterieller Schaden einhergeht“.
„Ein Datenschutzverstoß muss jedenfalls in die Gefühlssphäre des Geschädigten eingreifen, damit von einem ... entstandenen immateriellen Schaden ... gesprochen werden kann. ... Die Schwere und die Intensität der Beeinträchtigung werden bei der Bemessung des Schadenersatzes eine zentrale Rolle spielen, jedoch wird ... ein Mindestmaß an persönlicher Beeinträchtigung für das Vorliegen eines immateriellen Schadens zu fordern sein.
Der Verpflichtung zum Ausgleich eines immateriellen Schadens muss ... eine benennbare und insoweit tatsächliche Persönlichkeitsverletzung gegenüberstehen, die beispielsweise in der mit einer unrechtmäßigen Zugänglichmachung von Daten liegenden „Bloßstellung“ liegen kann.
Die Rechtsverletzung per se stellt aber keinen immateriellen Schaden dar, sondern es muss eine Konsequenz oder Folge der Rechtsverletzung geben, die als immaterieller Schaden qualifiziert werden kann und die über den an sich durch die Rechtsverletzung hervorgerufenen Ärger bzw. Gefühlsschaden hinausgeht.
Der Geschädigte muss daher einen solchen Nachteil erlitten haben, dem infolge der Beeinträchtigung der Interessen Gewicht zukommen muss.
Nicht schon jeder, allein durch die Verletzung an sich hervorgerufene Ärger oder sonstige Gefühlsschäden sind auszugleichen, sondern nur ein darüberhinausgehendes besonders immaterielles Interesse (vgl. Koziol, Haftpflichtrecht II2, 231). Der rechtswidrige Zustand, der die betroffene Person beeinträchtigt, ohne eine Erheblichkeitsschwelle zu überschreiten, ist nämlich nicht sanktionslos, denn es besteht ein gerichtlich durchsetzbarer Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch (Schweiger aaO, Art 82 DSGVO, Rz 29)
Zusammenfassung des OLG Innsbruck
„Das aus dem nationalen Schadenersatzrecht abzuleitende Erfordernis, den in der konkreten Person „erlittenen Schaden“ ausreichend und nicht nur in Form der verba legalia („immaterieller Schaden“) oder sonst nur allgemein gehalten („Ungemach“, „Ungewissheit“, „Nachteil“) zu behaupten, stellt keine unüberbrückbare Hürde für die Geltendmachung des Anspruches nach Art 82 DSGVO dar. Das Tatbestandsmerkmal des erlittenen Schadens ist nicht mit der Rechtsverletzung der DSGVO als solcher gleichzusetzen.“
update am 08.03.2020 (Thomas Schweiger)
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