BVwG hebt die erste Geldstrafe der DSB auf.
Das Verfahren wurde eingestellt!
Die Datenschutzbehörde hatte die erste DSGVO-Strafe in Europa wegen einer Videoüberwachung in Höhe von EUR 4.800,-- verhängt. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Entscheidung aufgehoben und das Verfahren gem § 45 VStG eingestellt.
Die Entscheidung der DSB
Die Österreichische Datenschutzbehörde hat bereits im September 2018 eine DSGVO-Strafe von EUR 4.800,-- gegen eine GmbH verhängt, weil eine Videoüberwachung datenschutzrechtswidrig betrieben wurde.
Darüber wurde bereits im Blog berichtet.
Die bestrafte GmbH hat Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben, und dort wurde vor kurzem das Verfahren beendet.
Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Entscheidung aufgehoben.
Im Erkenntnis des BVwG vom 19.08.2019, W211 220885-1 wurde diese Entscheidung ersatzlos aufgehoben und das Verfahren eingestellt, und zwar weil es eine Geldstrafe gegen eine GmbH war und keine ausreichenden Verfolgungshandlungen gegen eine natürliche Person („Führungsperson“ iSd § 30 DSG) im Verwaltungsstrafverfahren von der DSB (zumindest namentliche Erwähnung im Straferkenntnis; Führen des Verfahrens gegen eine konkretisierte natürliche Person) gesetzt wurden.
Da die DSB keine ausreichende Verfolgungshandlung (gegen eine namentlich identifizierte Person als „Führungsperson“ iSd § 30 DSG) gesetzt hat, ist die sog. Verfolgungsverjährung eingetreten (1 Jahr ab strafbarer Handlung), und das Verfahren wurde vom BVwG durch Einstellung iSd § 45 VStG beendet.
Die Entscheidung des BVwG führt dazu aus, wobei auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 99d Abs 1 und 2 BWG (ähnliche Regelung wie die Strafnorm in § 30 DSG) verwiesen wird:
„25 Die Bestrafung der juristischen Person nach der in Rede stehenden Bestimmung setzt voraus, dass eine ihr zurechenbare natürliche Person (Führungsperson) eine Straftat begangen hat. Der Strafbarkeit der juristischen Person […] liegt dabei der Vorwurf zu Grunde, die dort genannten Führungspersonen hätten gegen die dort angeführten "Verpflichtungen verstoßen" (Abs. 1) oder sie hätten durch mangelnde Kontrolle oder Überwachung eine "Mitarbeitertat" ermöglicht (Abs. 2). […]en gemäß § 9 VStG (§ 98 Abs. 2, Abs. 5, Abs. 5a und § 99 Abs. 1 BWG).
27 Der verfassungsrechtlich geforderte Zusammenhang für die Zurechnung der Anlasstat zur juristischen Person kommt dadurch zum Ausdruck, dass einerseits eine Führungsperson entweder die Tat selbst begangen hat (Abs. 1) oder die Begehung der Tat eines Mitarbeiters durch mangelnde Überwachung und Kontrolle ermöglicht wurde (Abs. 2) […].
29 Da die juristische Person nicht selbst handeln kann, ist ihre Strafbarkeit gemäß § 99d BWG eine Folge des tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens einer Führungsperson. Demgemäß ist für die Wirksamkeit der gegen die juristische Person gerichteten Verfolgungshandlung die genaue Umschreibung der Tathandlung der natürlichen Person vonnöten. Eine Verfolgungshandlung im Sinne der §§ 31 und 32 VStG muss nämlich eine bestimmte Verwaltungsübertretung zum Gegenstand haben, was erfordert, dass sie sich auf alle der späteren Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen muss (VwGH 8.3.2017, Ra 2016/02/0226, mwN). Richtet sich ein so erhobener Vorwurf gegen die juristische Person, so ist - wegen der Abhängigkeit der Strafbarkeit der juristischen Person von der Übertretung der ihr zurechenbaren natürlichen Person - darin auch der Vorwurf gegen die darin genannte natürliche Person enthalten. […]
31 Bei dieser Gelegenheit ist festzuhalten, dass es - sei es für die Verfolgungshandlung, sei es für die Bestrafung - für die Bestimmtheit der verfolgten Person, soweit sie im Spruch nicht ohnehin namentlich genannt wird, nicht ausreicht, wenn auf der Erledigung nicht beigeschlossene Urkunden (wie im vorliegenden Straferkenntnis auf das "Firmenbuch") verwiesen wird; wie oben gezeigt wurde, genügt die bloße Bestimmbarkeit der Person nicht.[…]
33 […] Für eine Bestrafung der juristischen Person ist […] entscheidend, dass die zur Beurteilung eines tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens, das auch allfälligen zusätzlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit genügt, erforderlichen Feststellungen getroffen und im Spruch alle notwendigen Elemente für eine Bestrafung der natürlichen Person aufgenommen werden (§ 44a VStG), mit dem Zusatz, dass das Verhalten der natürlichen Person der juristischen Person zugerechnet werde. […]
[…] 3.2. Zur Frage, ob der Tatvorwurf ausreichend konkretisiert wurde:
Im oben unter 3.1.3. dargestellten Erkenntnis sprach der VwGH zu einer zu § 30 DSG vergleichbaren Bestimmung im BWG aus, dass es für die Bestimmtheit der verfolgten Person, soweit sie im Spruch nicht ohnehin namentlich genannt wird, nicht ausreicht, wenn auf der Erledigung nicht beigeschlossene Urkunden nur verwiesen wird; denn es bedarf einer namentlich genannten oder aus der sonstigen Umschreibung eindeutig nach individuellen Kriterien bestimmten Führungsperson - eine reine Bestimmbarkeit reicht eben nicht aus. […]
Im gegenständlichen Verfahren wurde eine natürliche Person, deren Verhalten (Anordnung und Installation der Kameras oder fehlende Kontrolle der Kameras bzw. deren Nutzung) der Beschwerdeführerin zugeordnet werden soll, nie bezeichnet und damit nie konkretisiert. […]
Im Ergebnis muss daher davon ausgegangen werden, dass gegenständlich keine ausreichende Konkretisierung des Tatvorwurfs im behördlichen Verfahren vorgenommen wurde, da aus diesem nicht hervorgeht, das Verhalten welcher Person der Beschwerdeführerin zugerechnet hätte werden sollen. Damit scheint aber die Wahrnehmung wesentlicher Verteidigungsrechte der Beschuldigten im Verfahren nicht mehr ausreichend garantiert.
Da die Frist der Verfolgungsverjährung zum Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG bereits abgelaufen war, hat das BVwG das Verfahren eingestellt, da innerhalb der Verjährungsfrist keine Verfolgungshandlungen gegen eine konkrete Person iSd § 30 Abs 1 DSG, deren Verhalten der juristischen Person zurechenbar gewesen wär, gesetzt wurden.
Schlussfolgerung für Verwaltungsstrafverfahren an sich:
Im Verwaltungsstrafverfahren ist daher eine „natürliche Person“ als Führungsperson iSd § 30 DSG von der DSB zu identifizieren,
- die die Tat entweder selbst begangen hat (§ 30 Abs 1 DSG) oder
- deren mangelnde Kontrolle und Überwachung eine Mitarbeitertat (§ 30 Abs 2 DSG) ermöglicht hat.
Die DSB muss den Verstoß gegen die Bestimmungen der DSGVO oder des DSG feststellen, und muss weiters bescheidmäßig darüber absprechen, welcher konkreten natürlichen (Führungs-)person iSd § 30 Abs 1 DSG die (im Rahmen der Organisation) begangene Tat (dh die Normübertretung) zugerechnet werden kann.
Es reicht nicht aus, dass auf einen Firmenbuchauszug, der dem Bescheid beiliegt verwiesen wird. Es muss konkrete Ermittlungs- und Untersuchungshandlungen gegen diese „verantwortliche Person“, dh ein vertretungsbefugtes Organ oder eine Führungsperson iSd § 30 Abs 1 DSG geben.
Die DSB muss darüber im Bescheid darüber absprechen, dass dieser konkreten Person ein Tatvorwurf dh entweder die (eigene, direkte) Tatbegehung (iSd § 30 Abs 1 DSG) gemacht werden kann oder die konkrete Person es zu verantworten hat, dass mangelnde Überwachung oder Kontrolle die Begehung des festgestellten Verstoßes durch eine für die juristische Person tätige Person (iSe Mitarbeitertat) ermöglicht hat.
19.04.2020, Autor
Michael Schweiger, zert DSBA
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Johannes Guger (Dienstag, 28 April 2020 10:13)
Heißt das überspitzt, wenn ich im Verarbeitungsverzeichnis keinen Verantwortlichen angebe, kann die dsb diese Nichtbefolgung der DSGVO nicht bestrafen, da Sie ja nicht weiß wer in der Führungsebene für Datenschutz zuständig ist.
Würde es laut diesem Richterspruch nicht völlig ausreichen, dass sich keiner für zuständig erklärt?
Oder bedeutet das, dass die dsb im Zweifel einfach eine Führungsperson bestimmt?