In einem aktuell ergangenen Urteil (29.1.2021) hat ein/e Richter/in des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen festgestellt, dass die APP Lernsieg, die personenbezogenen Daten der Lehrer und Lehrerinnen und die Meinungsäußerungen der bewertenden Personen rechtmäßig verarbeitet.
Daher wurde einer Klage auf Löschung der Daten und Unterlassung der zukünftigen Verarbeitung, die ein Lehrer gegen den APP-Betreiber eingebracht hatte, nicht stattgegeben.
Die Verfahrensart.
Der Kläger macht u.a. das Recht auf Löschung gem. Art 17 DSGVO geltend, und kann dies sowohl bei der Datenschutzbehörde (in einem Beschwerdeverfahren gem. § 24 DSG bzw. Art 77 DSGVO) tun, oder wie hier in einem zivilgerichtlichen Verfahren vor dem Landesgericht.
Mit der Zivilklage ist ein erhebliches Kostenrisiko verbunden, denn zB im konkreten Urteil wurde der Kläger - da die Klage abgewiesen wurde - verpflichtet, den beklagten Parteien die Prozesskosten von EUR 5.463,43 (der ersten Instanz) zu ersetzen.
Ein Verfahren bei der Datenschutzbehörde als Beschwerdeführer hingegen ist für den Beschwerdeführer insofern kostenlos, als es keinen Kostenersatzanspruch des Beschwerdegegner gibt, wenn die Beschwerde abgewiesen wird.
Weiters macht der Kläger einen Anspruch auf (zukünftige) Unterlassung geltend.
Beide Ansprüche bedingen, dass die beklagte(n) Partei(en) die personenbezogenen Daten des Klägers, nämlich Vorname, Nachname, eventuell einen Titel und die verknüpfte Bewertung als Lehrer einer bestimmten Schule unrechtmäßig verarbeitet.
Die beklagte(n) Partei(en) stützten sich darauf, dass einerseits ein Recht auf freie Meinungsäußerung und Information besteht und andererseits kein überwiegendes berechtigtes Interesse der klagenden Partei iSd Art 6 Abs 1 lit f DSGVO besteht, und daher die Verarbeitung der Daten rechtmäßig ist.
Informationspflicht
Vorab hält das Gericht fest, dass die unterlassene Erfüllung einer Informationspflicht nach Art 13 f DSGVO nicht zur Unrechtmäßigkeit der Verarbeitung führt und folgt damit Illibauer im Datkomm (RZ zu Art 14 DSGVO).
"berechtigtes Interesse" und "Interessensabwägung"
nach Art 6 Abs 1 lit f DSGVO
Das Gericht hat auf mehreren Seiten (S. 10 ff.) umfangreich begründet, warum der APP-Betreiber das Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information nach Art 11 EU-GRC auf seiner Seite hat, und die Interessen der Lehrenden, deren berufliche Daten verwendet werden, die weniger Schutz genießen als zB die Privatadresse oder andere Informationen aus der Privatsphäre, nicht überwiesen.
Dabei verwendet das Gericht das bewährte Prüfungsschema des Art 6 Abs 1 lit f DSGVO:
1.
Liegt
ein berechtigtes Interesse vor, das von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen
oder von dem bzw den Dritten wahrgenommen wird, denen die Daten übermittelt werden?
2.
Ist
die Verarbeitung der personenbezogenen Daten für die Verwirklichung des Interesses
erforderlich?
3. Überwiegen die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person?
In Abwägung der gegenläufigen Interessen kommt das Gericht zum Schluss, dass die Verarbeitung der personenbezogenen Daten - insbes. auch aufgrund der Maßnahmen, die Seitens der (zweit)beklagten Partei gesetzt werden, wie zB Darstellung nur über die APP (und nicht über eine der Öffentlichkeit direkt zugänglichen Website), keine Suchfunktion hinsichtlich der Lehrer, sondern nur der Schulen rechtmäßig ist.
In diesem Teil der rechtlichen Beurteilung findet sich auch eine (versteckte) Tatsachenfeststellung, die durch die Nutzung der APP eindeutig widerlegt wird. Es ist sehr wohl möglich, auch Lehrer*Innen direkt in der Suchfunktion der APP zu suchen und auch zu finden.
Diese Feststellung, die das Gericht (in der rechtlichen Beurteilung) trifft, ist aber für die Bewertung im Rahmen der erfolgten Interessenabwägung mE wesentlich ist.
Das Gericht führt dazu aus:
„Da eine weniger eingriffsintensive Ausgestaltung somit nicht ausreichen würde, ist die konkrete Ausgestaltung der App im Ergebnis erforderlich zur Verwirklichung des verfolgten berechtigten Interesses."
Diese Schlussfolgerung könnte mE in der nächsten Instanz uU revidiert werden, wenn die Kläger Ansätze finden, dass die zB nur Bewertung der Schulen für die notwendige Transparenz und etwaigen Auswahlmöglichkeiten der Eltern / Kinder erforderlich sind, und die individuellen Bewertungen der Lehrenden dafür zwar notwendig sind, aber nicht auf individueller Basis in der APP dargestellt werden müssen.
Nach dem Motto: "Eine Schule kann ich auswählen, einen Lehrer oder eine Lehrerin kann ich mir nicht aussuchen."
Auch wird zu berücksichtigten sein, dass die (oben erwähnte) "Tatsachenfeststellung" des Gerichtes in dieser Hinsicht unrichtig ist, da die Suche über Namen sehr wohl direkt möglich ist, und daher die Interessen der betroffenen Personen jedenfalls mehr beeinträchtigt sind, als dies das Gericht, das von einer unrichtigen Tatsachenfeststellung ausgegangen ist, angenommen hat.
Dies beweist dieser Screenshot der APP vom 07.02.2021, den "Suche nach Schule oder L..." kann mE nur heißen, dass auch nach Lehrenden gesucht werden kann.
Auch bei der Bewertung der Interessen der Lehrer*Innen könnte sich in der zweiten Instanz uU ändern. Hier ist - neben der oben erwähnten Suchfunktion - zB zu auch beachten, dass das Bundesverwaltungsgericht vor Kurzem (21.10.2020) entschieden hat, dass die Weitergabe der beruflichen E-Mail-Adresse das Recht auf Geheimhaltung verletzen kann. Diese Entscheidung erging zwar in einem anderen Kontext, es ist aber klargestellt, dass die Tatsache, welchen Beruf eine betroffene Person ausübt und bei welchem Dienstgeber dies geschieht, grundsätzlich ein geheimhaltungswürdiges Datum darstellen kann. Dies ist mE im gesamten Verfahren noch gar nicht oder nicht ausreichend behandelt worden.
Wenn zB ein/e Lehrer/in nicht auf einer Homepage einer Schule als Lehrperson derselben dargestellt wird, und daher nicht allgemein (den Nutzern der APP oder auch der Öffentlichkeit) bekannt ist, dass die konkrete betroffene Person in der konkreten Schule tätig ist, und in der APP dennoch eine Verknüpfung zwischen der Schule (als Ort der Berufstätigkeit) und der natürlichen Person (als Lehrperson dieser Schule) hergestellt wird, dann könnte dies uU im Sinne der oben erwähnten Judikatur eine Verletzung des Rechts auf Geheimhaltung iSd § 1 DSG darstellen. Anders stellt sich die Angelegenheit dar, wenn auf der Homepage oder aus anderen öffentlich verfügbaren Quellen ersichtlich ist, dass die betroffene Person Lehrer*In der jeweiligen Schule ist, sodass die Verarbeitung dieser Daten durch die APP nicht gravierend in die Interessen der betroffenen Person eingreift. Ob dies beim Kläger der Fall ist, entzieht sich meiner Kenntnis.
Fazit:
.... es bleibt spannend.
07.02.2021, Autor:
Michael Schweiger, zert DSBA
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