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Weitergabe eines Bescheides


 

Das BVwG hat sich mit der Weitergabe eines Bescheides ohne Schwärzung der personenbezogenen Daten an eine nicht verfahrensbeteiligte Person beschäftigt, und festgestellt, dass die Weitergabe eines derartigen Bescheides einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Im konkreten Fall war die Weitergabe rechtswidrig.

 

 


Der Sachverhalt:    
Ein Eigentümer (oder Verfügungsberechtigte) einer Quelle (oder sonstigen Wasserversorgungsanlage) war mit einem Bescheid konfrontiert, der feststellte, dass das Wasser aus der Wasserversorgungsanlage nicht als Trinkwasser geeignet ist.

 

 

Es wurde auch festgestellt, dass das Wasser vor Gebrauch für die Herstellung und Verarbeitung von Lebensmitteln […], zum unmittelbaren Genuss, zur Reinigung von Gebrauchsgegenständen, die im Umgang mit Lebensmitteln verwendet werden […] sowie zur Reinigung der Hände und zur Körperpflege […] mindestens drei Minuten lang abzukochen […] ist.

 

 

Dem Wasserversorger wurde auch vorgeschrieben eine Hinweistafel anzubringen, und etwaige Verbraucher in geeigneter Weise in Kenntnis zu setzen.

 

 

Der Wasserversorger hat die Verbraucher auch ordnungsgemäß informiert, und einer der Verbraucher hat sich an die Behörde gewandt und diese hat ihm eine Kopie des Bescheides übermittelt, ohne personenbezogene Daten zu schwärzen.

 

 

Diese Weitergabe des Bescheides wurde als rechtswidrig beurteilt, da keine Rechtsgrundlage iSd DSGVO (Art 6 Abs 1 lit a bis f DSGVO) gegeben war.

 

 

 

 

Die Aussagen des BVwG (W258 2233004-1, 30.06.2021)  


Auszug aus der Entscheidung: 


3.3.1. Die belangte Behörde hat mit der Weitergabe einer Kopie des Bescheids Informationen über die mitbeteiligte Partei, nämlich Name, Adresse, den Umstand, dass die mitbeteiligte Partei Adressat des Bescheids ist und den Inhalt des Bescheids, sohin personenbezogen Daten iSd § 1 DSG bzw Art 4 Z 1 DSGVO (EuGH 20.12.2017, C-434/16, Rz 34f), an einen Dritten übermittelt.

 

 

3.3.2. Die Daten sind auf die mitbeteiligte Partei rückführbar und nicht allgemein verfügbar, weshalb die mitbeteiligte Partei grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse an ihnen hat. Die der mitbeteiligten Partei im Bescheid aufgetragene Pflicht, Verbraucher darüber zu informieren, dass das Wasser aus der WVA nicht als Trinkwasser geeignet ist und es vor seiner Verwendung abzukochen ist, ändert daran nichts, zumal die Informationspflicht weder den Umstand, dass die mitbeteiligte Partei Bescheidadressat ist, noch den sonstigen Bescheidinhalt umfasst.

 

 

Auf die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Gefährdung der Verbraucher durch eine behördlich beanstandete Wasserquelle, an deren Geheimhaltung die mitbeteiligte Partei kein schutzwürdiges Interesse haben soll, kommt es ebenfalls nicht an, weil die Beschwerdeführerin gerade nicht nur diese Information weitergegeben, sondern eine Kopie des Bescheids übermittelt hat.

 

3.3.3. Gibt die Beschwerdeführerin, eine staatliche Behörde in Erfüllung ihrer Aufgaben iSd § 1 Abs 2 DSG und Art 6 Abs 1 DSGVO, eine Bescheidkopie an einen Dritten weiter, bedarf es – mangels Zustimmung, lebenswichtiger Interessen der mitbeteiligten Partei oder Vertragserfüllung iSd Art 6 Abs 1 lit b DSGVO – einer gesetzlichen Grundlage (§ 1 Abs 2 DSG bzw Art 6 Abs 1 DSGVO). Eine solche gesetzliche Grundlage fehlt.

 

 

So sind die Anforderungen an Wasser für den menschlichen Gebrauch durch das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG) und die Trinkwasserverordnung geregelt. Bestimmungen, wonach es der Gemeinde gestattet wäre, Verbraucher einer Wasserversorgungsanlage über etwaige die Wasserversorgungsanlage betreffende Bescheide zu informieren oder Kopien von Bescheiden auszuhändigen, finden sich darin nicht. Insbesondere treffen die in § 6 Trinkwasserverordnung geregelten Informationspflichten lediglich den Betreiber der Wasserversorgungsanlage, nicht jedoch die Gemeinde.

 

 

Entgegen den Beschwerdeausführungen der Beschwerdeführerin ist die Aushändigung des Bescheides auch nicht durch das Tiroler Auskunftspflichtgesetz gedeckt, weil gemäß § 3 Abs 1 Tiroler Auskunftspflichtgesetz keine Auskunft erteilt werden darf, wenn der Erteilung eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht entgegensteht, worunter auch die in § 1 DSG umschriebene Pflicht zur Geheimhaltung personenbezogener Daten zu verstehen ist (vgl VwGH 23.10.2013, 2013/03/0109).

 

 

Auch kann die Weitergabe des Bescheids entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin nicht aus allgemeinen Regeln oder Grundsätzen abgeleitet werden, zumal die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Informationspflicht und Verantwortung der Gemeinde, ihre Bewohner mit einwandfreiem Trink- und Nutzwasser zu versorgen, lediglich die Information Dritter über Qualitätsprobleme einer Wasserversorgungsanlage, nicht jedoch die Weitergabe einer Bescheidkopie rechtfertigen könnte.

 

 

3.3.4. Letztlich kann sich die Beschwerdeführerin auch nicht auf lebenswichtige Interessen der Verbraucher iSd Art 6 Abs 1 lit d DSGVO berufen, weil davon ebenfalls lediglich eine Information über die Wasserqualität umfasst wäre. Der sonstige Bescheidinhalt oder der Umstand, dass die mitbeteiligte Partei Bescheidadressat ist, ist davon nicht gedeckt.

 

 

3.4. Die Übergabe der Bescheidkopie kann daher weder auf lebenswichtige Interessen der Verbraucher oder eine gesetzliche Grundlage gestützt werden und ist daher rechtswidrig.

 

 

3.5. Feststellungen zur Frage, in welcher Form die Beschwerdeführerin den Bescheid verarbeitet hat, konnten unterbleiben. Zwar wäre die DSGVO nur dann unmittelbar anwendbar, wenn die Verarbeitung des Bescheids automatisiert oder in einem Dateisystem erfolgt wäre (Art 2 Abs 1 DSGVO); andernfalls würde „nur“ der Grundrechtsschutz nach § 1 DSG greifen. In beiden Fällen bedarf die Weitergabe des Bescheids durch eine öffentliche Stelle aber – mangels Einwilligung, lebenswichtiger Interessen des Betroffenen oder Vertragserfüllung iSd Art 6 Abs 1 lit b DSGVO – einer gesetzlichen Grundlage. Sie ergibt sich im Anwendungsbereich der DSGVO aus Art 6 Abs 1 lit c oder lit e DSGVO, andernfalls aus § 1 Abs 2 DSGVO bzw § 4 DSG iVm Art 6 Abs 1 lit c oder e DSGVO.

 

 

 

Fazit       
Die Entscheidung verweist darauf, dass eine Handlung einer Behörde (Weitergabe eines Bescheides) einer Rechtsgrundlage in der Form bedarf, dass ein Gesetz (oder auch eine Verordnung) diese Weitergabe gesetzlich erlaubt bzw. vorschreibt. Wenn es keine derartige normative Grundlage gibt, könnte auf die Einwilligung iSd Art 6 Abs 1 lit a DSGVO zurückgegriffen werden.

 

 

Auch „lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person“ (Art 6 Abs 1 lit d DSGVO) könnten ins Treffen geführt werden, um die Weitergabe zu rechtfertigen. Diese lagen jedoch nach Beurteilung der Behörden nicht vor, da es ausgereicht hätte, den Teil des Bescheides weiterzugeben, der eine Information zur Wasserqualität enthielt; die andern Inhalte des Bescheides oder wer Bescheidadressat ist, ist von dieser Rechtsgrundlage nicht gedeckt. Daraus ist zu folgern, dass bei dieser Rechtsgrundlage immer klar und deutlich zu unterscheiden ist, welche konkreten Inhalte einer Information bzw. welche konkreten personenbezogenen Daten weitergegeben werden müssen, um die lebenswichtigen Interessen zu schützen. Andere (personenbezogene) Daten dürfen dann nicht weitergegeben werden.

 

 

Auch wenn die DSGVO (mangels automatisierter Verarbeitung; mangels Dateisystem) nicht anwendbar ist, greift der „allgemeine Grundrechtsschutz“ des § 1 DSG, und die Behörde käme zum selben Ergebnis, dh entweder Einwilligung, lebenswichtige Interessen oder Vertragserfüllung auf der einen Seite oder eben normative (gesetzliche) Grundlage auf der anderen Seite.

 


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