Wahlzeit ist „Werbezeit“ – Viele erhalten persönlich adressierte Schreiben von Parteien. Woher haben die Parteien die Adressen? Was dürfen die Parteien damit tun?
Vielen von uns ist es in den letzten Tagen in Oberösterreich so gegangen. Persönlich adressierte Wahlwerbung liegt im Briefkasten. Dürfen die Parteien das? Woher haben die wahlwerbenden Parteien meine Adresse? Das sind Fragen, die viele Bürger*Innen beschäftigen.
Das Wählerevidenzgesetz 2018:
Jede wahlberechtigte Person ist in Österreich in das Wählerevidenzverzeichnis, und
zwar mit Familiennamen, Vornamen, akademische Graden, Geschlecht, Geburtsdatum, bei Wahlberechtigten mit Hauptwohnsitz im Inland außerdem die Wohnadresse sowie das entsprechende
bereichsspezifische Personenkennzeichen aufgenommen (siehe § 1 (3) WählerevidenzG 2018); das Wählerevidenzverzeichnis ist in „Wahlsprengel“ unterteilt
ist.
Wie kommen die Parteien an die Daten?
Zweimal jährlich (10. Februar und 10. August) erhalten die im Nationalrat vertretenen Parteien (genauer: die zur Vertretung nach außen berufenen Organe der im Nationalrat vertretenen Parteien) die in § 1 Abs. 3 angeführten Daten (siehe oben) der Wählerevidenzen aller Gemeinden, ausgenommen die bereichsspezifischen Personenkennzeichen.
Die Zusendung erfolgt mittels maschinell lesbarer Datenträger oder im Weg der Datenfernverarbeitung und ist unengeltlich und erfolgt auf Antrag, dh nicht automatisch, sondern nur, wenn es eine Partei verlangt.
Andere wahlwerbende Gruppen , die im Nationalrat nicht vertreten sind, haben zB in Oberösterreich die Möglichkeit auf Basis der OÖ. Kommunalwahlordnung (§ 18 Abs 3 Kommualwahlordnung) die Daten zu erhalten, und zwar in verarbeitbarer Form.
Wofür dürfen die (wahlwerbenden) Parteien diese Daten nutzen?
Die Parteien erhalten diese Informationen für Zwecke des § 1 Abs.2 des Parteiengesetzes 2012 sowie für Zwecke der Statistik.
In § 1 Abs 2 ParteienG ist die politische Partei definiert: Eine politische Partei ist eine dauernd organisierte Verbindung, die durch gemeinsame Tätigkeit auf eine umfassende Beeinflussung der staatlichen Willensbildung, insbesondere durch die Teilnahme an Wahlen zu allgemeinen Vertretungskörpern und dem Europäischen Parlament, abzielt und deren Satzung beim Bundesministerium für Inneres hinterlegt ist.
Die (personenbezogenen) Daten, die die Parteien aus dem Wählerevidenzverzeichnis erhalten, dürfen daher zur Information für den Zweck der „politischen Tätigkeit“ und daher auch für Wahlwerbung verwendet werden.
Was ist datenschutzrechtlich jedenfalls zu beachten?
Die Parteien dürfen die Daten zur Wahlwerbung verwenden, dh zB persönlich adressierte Briefe an bestimmte potentielle Wählergruppen (Erstwähler, Pensionisten, …) aussenden.
Die Zusendung von E-Mails ist unzulässig, da dafür die (vorherige) Einwilligung iSd § 107 Abs 2 TKG notwendig ist. (siehe dazu auch die Entscheidung des VwGH vom 19.12.2013 2011/03/0198)
Die Parteien müssen mE auch im Rahmen der Datenschutzinformation die betroffenen Personen eindeutig über die Verarbeitung ihrer Daten zum Zweck der Wahlwerbung auf Basis des berechtigten Interesses (iSd Art 6 Abs 1 lit f DSGVO) informieren, und insbes. auch die Quelle der Daten nennen.
Da die Verarbeitung auf berechtigtem Interesse iSd Art 6 Abs 1 lit f DSGVO beruht, haben die Parteien auch auf das Widerspruchsrecht iSd Art 21 DSGVO hinzuweisen. Das Widerspruchsrecht steht den betroffenen Personen mE auch absolut iSd Art 21 Abs 4 DSGVO zu, da die Zusendung von Informationen vor Wahlen jedenfalls der Wahlwerbung dient, und damit Direktwerbung ist.
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Gerhard Riha (Mittwoch, 12 Juni 2024 17:36)
Im §1(2) PartG ist keinerlei Ermächtigung ersichtlich, dass wahlwerbende Gruppen (Parteien) die personenbezogenen Daten auch noch für direkte Anschreiben Empfänger genutzt werden dürften (zB für Wahlwerbung).
Die Bürgerdaten werden explizit nur auf Anforderung von der Wahlkommission übermittelt (als Ausdruck bzw. als graphische Datei PDF) mit der gesetzlich festgelegten Zweckbindung für Kontrollzwecke und für die Statistik. Eine andere Art der Datenverwendung ist im Gesetzt nicht festgelegt und daher nicht erlaubt.
Die berechtigten Interessen der Bürger auf ein Recht zur Geheimhaltung ihrer Personendaten wiegt wohl mehr als eine Nutzung der Daten für Direktwerbung.
Zudem müssten sogar schon bei der Übermittlung selbst alle Betroffenen (die Bürger) von den Empfängern informiert werden, dass sie diese Daten nun besitzen.
Allein dieser Umstand alleine gestattet keine weiter Datenverwendung, solange die Betroffenen nicht darüber informiert wurden und Ihr Widerspruchsrecht nicht wahrnehmen konnten.
Gerhard Riha (Mittwoch, 12 Juni 2024 17:48)
Aktuelle Missbrauchsbeweis: https://www.krone.at/3402199
---> SPÖ rief 'irrtümlich' 14-Jährige und 15-Jährige zur EU-Wahl 2024 auf.