Eine Klausel in AGB eines Fitness-Studios, die sich mit "Videoüberwachung" beschäftigte, war Thema in einem Verfahren des Vereins für Konsumenteninformation gegen den Betreiber des Fitness-Studios.
Der OGH hat dazu am 18.10.2022, 4 Ob 59/22p entschieden
Eine Klausel in den AGB, die vom VKI (neben anderen, die sich zB mit der "fixen Laufzeit von min. 16 Monaten für den Konsumenten" oder "Kündigung wegen Abwerbung von Mitgliedern") beanstandet wurde, beschäftigte sich mit "Datenschutz" und lautete (mit Hervorhebungen durch den Verfasser):
„9. Datenschutz
Der Anbieter erhebt, speichert, verarbeitet und nutzt folgende personenbezogene Daten des Mitgliedes (einschließlich seines Fotos) selbst oder durch weisungsgebundene Dienstleister, soweit dies zur Erfüllung des Vertragsverhältnisses erforderlich ist: Vorname, Familienname, Geburtsdatum, Adresse, Telefonnummer, E-Mail Adresse, Kontonummer, Foto, Eintrittsdatum, Daten zur Verrechnung und zum Inkasso der Mitgliedsbeiträge. Beim Betreten des Fitnessstudios werden Datum, Uhrzeit sowie Mitgliedsnummer des Mitglieds elektronisch erfasst. Der Anbieter speichert diese Daten. In anonymisierter Form werden diese Daten zudem zur Optimierung der Trainingsbedingungen und des Trainingsbetriebes verwendet. Ebenso überwacht der Anbieter Teile des Studios mit Videokameras und speichert einzelfallbezogen die dabei gewonnenen Aufnahmen, soweit und solange dies im Einzelfall zur Sicherheit seiner Mitglieder und zur Aufklärung von strafbaren Handlungen sowie zur Abwehr oder Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen erforderlich ist. Der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle werden durch Hinweisschilder erkennbar gemacht. Jedenfalls erteilt jedes Mitglied seine Zustimmung zur Erhebung, Speicherung und Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten im oben angeführten Sinn.“
Kurz-Info
Verfahren vor Zivilgerichten, die drohen, kosten sehr viel Geld; im konkreten Fall betrug der Kostenersatz der beklagten Partei gegenüber der klagenden Partei nur für das Rechtsmittelverfahren mehr als EUR 6.000,--; dazu kommen noch die eigenen Anwaltskosten und die Verfahrenskosten der beiden unteren Instanzen. Geschätzt sind das in Summe ca. EUR 40.000,--
Wenn Sie es richtig machen wollen, wenn Sie Bereiche Ihres Unternehmens mittels Videoaufnahmen überwachen wollen (oder müssen, weil bereits Sachen beschädigt wurden oder Material entwendet wurde, oder eine andere besondere Gefahrenlage besteht), dann unterstützen und beraten wir Sie gerne.
Es sind dabei datenschutzrechtliche aber auch arbeitsverfassungsrechtliche Aspekte zu beachten.
Die Entscheidung im "Originaltext (Auszug"):
[34] Das Erstgericht verwies auf 6 Ob 140/18h, wonach bei der Koppelung der Einwilligung zu einer Verarbeitung vertragsunabhängiger personenbezogener Daten mit einem Vertragsabschluss grundsätzlich davon auszugehen sei, dass die Erteilung der Einwilligung nicht freiwillig erfolge, wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände für eine Freiwilligkeit der datenschutzrechtlichen Einwilligung sprächen (RS0132251).
Die Überwachung der Kunden mit Videokameras und die Speicherung der Aufnahmen „im Einzelfall“ sei kein notwendiges Element der Abwicklung eines Fitness-Vertrags. Dass besondere Umstände für die Freiwilligkeit der datenschutzrechtlichen Einwilligung sprechen würden, sei von der Beklagten gar nicht vorgebracht worden. Die Klausel widerspreche daher dem Koppelungsverbot und sei intransparent, ohne dass auf die weiteren geltend gemachten Anspruchsgrundlagen näher eingegangen werden müsse.
[35] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Verarbeitung personenbezogener Daten sei nach Art 6 Abs 1 lit a DSGVO rechtmäßig, wenn die betroffene Person ihre Einwilligung zur Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben habe. Art 7 DSGVO regle die Bedingungen für diese Einwilligung, in Art 7 Abs 4 DSGVO werde ausgeführt, dass bei der Beurteilung, ob die Einwilligung freiwillig erteilt worden sei, dem Umstand in größtmöglichem Umfang Rechnung getragen werden müsse, ob unter anderem die Erfüllung eines Vertrags, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung zu einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten abhängig sei, die für die Erfüllung des Vertrags nicht erforderlich wären.
Eine Klausel in AGB, nach welcher der Vertragspartner der Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu Zwecken zustimme, die für die Vertragsabwicklung nicht erforderlich seien, sei daher unzulässig bzw intransparent (RS0132251 [insb T1]).
Die Beklagte verweise hierzu lediglich auf übliche Umstände jedes Vertragsabschlusses unter Verwendung von AGB. Die generelle und vorbeugende Video-Überwachung von Kunden und die Speicherung der Aufnahmen sei für die Erfüllung eines Vertrags über die Nutzung des Angebots in einem Fitnesscenter jedenfalls nicht erforderlich.
Die Klausel verstoße damit gegen das Koppelungsverbot und sei iSd DSGVO unzulässig; sie sei überdies intransparent, da sie offen lasse, welche Bereiche überwacht würden (auch Umkleiden, Duschen, Sanitäranlagen?), und es in das unüberprüfbare Ermessen der Beklagten stelle, für welche Sachverhalte und welche Dauer die Aufzeichnungen aufbewahrt würden.
[36] Die Revision der Beklagten führt Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber ihren Mitgliedern ins Treffen, damit diese sicher trainieren könnten und nicht Opfer strafbarer Handlungen oder sonst geschädigt würden. In den AGB werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass „die relevanten Stellen“ mit Hinweisschildern gekennzeichnet würden. Kameras hätten eine präventive Wirkung, weil „jeder potenzielle Täter von vornherein weiß, dass er gefilmt und damit überführt wird, wenn er strafbare Handlungen etc begeht“. Die besonderen Umstände für eine Freiwilligkeit der datenschutzrechtlichen Einwilligung ergäben sich „aus dem Inhalt dieser Bestimmung selbst“. Die Beklagte überwache Teile des Studios mit Videokameras und speichere einzelfallbezogen die dabei gewonnenen Aufnahmen, soweit und solange dies im Einzelfall zur Sicherheit ihrer Mitglieder und zur Aufklärung von strafbaren Handlungen und zur Abwehr oder Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen erforderlich sei. Diese Überwachung sei „kein Selbstzweck“, sondern diene ausschließlich der Sicherheit ihrer Mitglieder, damit keine strafbaren oder schädigenden Handlungen gesetzt würden. Sie sei „ein notwendiges, sinnvolles und effizientes Element der Abwicklung eines Fitness-Vertrags“ zum Schutz der Kunden. Es sei davon auszugehen, dass die Kunden die AGB läsen, bevor sie einen Vertrag abschlössen. Wer einen Vertrag unter Zugrundelegung der AGB abschließe, tue das freiwillig und akzeptiere damit auch diese inkriminierte Bestimmung. „Wer nicht einverstanden ist, schließt keinen Vertrag mit uns.“
[37] Die Revision ist nicht berechtigt und steht insbesondere mit ihren Ausführungen zu präventiven Wirkungen einer Video-Generalüberwachung nicht auf dem Boden der – hier auch durch die DSGVO determinierten – Rechtsordnung. Sie zeigt keinerlei Aspekte auf, die nicht schon von den Vorinstanzen erwogen worden wären; auf die auch mit ihrem Verweis auf RS0132251 zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts kann neuerlich uneingeschränkt verwiesen werden (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).
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Mirjam Spänger (Freitag, 18 November 2022 11:07)
Sg Herr Dr. Schwaiger, kann man diese Entscheidung auch auf das Versenden von Marketinginformation in einer Tankstellenapp umlegen?
lg Mirjam Spängler (OMV)