OLG Frankfurt am 30.03.2023 - die DSGVO sieht keinen Anspruch auf Unterlassung vor

1. Dem von einer unzulässigen Datenübermittlung an Dritte Betroffenen steht kein Anspruch auf Unterlassung aus Art. 17 DSGVO zu.

2. Ein Unterlassungsanspruch aus Art. 82 DSGVO ist nur dann gegeben, wenn der Betroffene einen Schaden erlitten hat und entweder die erfolgte Verletzungshandlung noch andauert oder der pflichtwidrig geschaffene Zustand fortdauert.

3. Unterlassungsansprüche nach nationalem Recht, insbesondere ein Anspruch aus den §§1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 2 BGB i.V.m, der verletzten Norm der DSGVO, sind wegen der durch die DSGVO unionsweit abschließend vereinheitlichten Regelung des Datenschutzrechts ausgeschlossen.

Der Beklagte betreibt einen Webshop. Der Kläger verlangt von diesem, bestimmte Datenübermittlungen beim Aufruf der Website zu unterlassen, auf der Google Dienste (Google Tag Manager, Google Fonts, Google Analytics) installiert sind, und auch Funktionen von Facebook oder YouTube eingebunden sind. Es wird insbesondere auch die IP-Adresse an die Diensteanbieter übermittelt.

 

Auf der Website ist ein Cookie-Banner installiert, in dem der Websitenbesucher seine Einwilligung erteilt.

 

Das Erstgericht hat die Klage abgewiesen.

 

aa) Aus Art 17 DSGVO (Recht auf Löschung) ergibt sich kein selbständiger Unterlassungsanspruch. Nur wenn (auch) ein Anspruch auf Löschung der durch den Verantwortlichen verarbeiteten personenbezogenen Daten der betroffenen Person besteht, ergibt sich unmittelbar daraus ein ableitbarer Anspruch auf Unterlassung (einer weiteren Speicherung dieser gelöschten Daten).

 

bb) Auch aus dem Schadenersatzanspruch iSd Art 82 DSGVO ergibt sich kein selbständiger Unterlassungsanspruch. Es könnte sich nach dem Grundsatz der Naturalrestitution zwar aus einem Schaden ein Anspruch auf Unterlassung ergeben, aber ein derartiger Anspruch auf Naturalrestitution iSd der Wiederherstellung des vorigen Zustandes ergibt sich mE nicht aus Art 82 DSGVO, der "nur" den Ersatz des materiellen oder immateriellen Schadens normiert.

 

Auch in diesem Zusammenhang kann sich nur ein Anspruch auf Unterlassung ergeben, wenn auch ein Schadenersatzanspruch besteht. Da dies im konkreten nicht der Fall ist, kann auch ein Unterlassungsanspruch nicht auf Art 82 DSGVO (als primäre Rechtsgrundlage) gestützt werden. 

 

cc) Aufgrund der unionsautonomen Auslegung der DSGVO sind nationale Regelungen zu Schadenersatzansprüchen (so auch EuGH, C-300/21 am 04.05.2023) und Unterlassungsanspruches nicht anzuwenden, soweit dies auf Verstöße gegen Regelungen zur Verarbeitung personenbezogener Daten und die Vorschriften der DSGVO gestützt wird. Vorschriften der DSGVO bilden eine abschließende, weil voll harmonisierende europäische Regelung.

 

Es gibt dazu in der DSGVO keine Öffnungsklausel in Art 79 DSGVO zur Anwendbarkeit nationaler Regelungen. Art 79 (1) DSGVO und der darin normierte "gerichtliche Rechtsbehelf" bezieht sich auf verfahrensmäßige Rechtsbehelfe iS von Klagen und und Anträgen und begründet keine materiellen Ansprüche. Dieser Rechtsbehelf soll den betroffenen Personen die Durchsetzung der Ansprüche aufgrund der DSGVO vermöglichen.

 

"Da die Regelung mithin nur die Durchsetzung und den Rechtsschutz für die „aufgrund dieser Verordnung“ der betreffenden Person „zustehenden Rechte“ sichert, kann die Bestimmung nicht Grundlage für die Einräumung materieller Ansprüche sein, die die DS-GVO selbst nicht einräumt bzw. kennt. Verfassungsrechtlicher Hintergrund der Regelung ist die Rechtsschutzgarantie des Art. 47 GRC."

 

 

Es bleibt also spannend bei der Durchsetzung individueller Rechte bei der sich die betroffenen Personen insbes. auf nationale Rechtsordnungen stützt.

 

Dies ist insbes. auch für das Google Fonts Verfahren in Österreich maßgebend, wenn es in diesem Zusammenhang (wohl in Fortführung der Rechtsprechung des EuGH vom 04.05.2023, C-300/21) keinen Schadenersatzanspruch der Klägerin gibt.

 

 

 

Urteil des OLG Frankfurt vom 30.03.2023, 16 U 22/22
Unterinstanz: LG Wiesbaden, 20. Januar 2022, 10 O 14/21

 

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