VfGH hob Bestimmungen zur Sicherstellung und Auswertung von Datenträgern als verfassungswidrig auf - Die Beschlagnahme von Handys ist ab 1.1.2025 neu zu regeln

Erkenntnis vom 14.12.2023, G 352/2021 - ab 1.1.2025 ist eine Neuregelung notwendig - der Gesetzgeber ist wieder gefordert

 

 

 

Sachverhalt:

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat die Bestimmungen des § 110 Abs. 1 Z 1 und § 111 Abs. 2 StPO als verfassungswidrig aufgehoben.

 

Diese Regelungen erlaubten es Strafverfolgungsorganen, Datenträger sicherzustellen, auszuwerten, zu speichern und weiterzuverarbeiten. Der VfGH sah darin einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf Datenschutz sowie in das Recht auf Privat- und Familienleben.

 

Die Sicherstellung und Auswertung von Datenträgern ermöglichten den Strafverfolgungsorganen einen umfassenden Einblick in wesentliche Teile des Lebens der betroffenen Personen, einschließlich sensibler Daten.

 

Der Eingriff wurde als unverhältnismäßig bewertet, da die Voraussetzungen für die Sicherstellung gering sind und keine richterliche Kontrolle vorgesehen ist. Zudem wurde kein angemessener Rechtsschutz nach der Sicherstellung gewährleistet.

 

Der Gesetzgeber muss nun eine Neuregelung schaffen, die das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung mit den Grundrechten der Betroffenen in Einklang bringt.

 

Spruch:

Der Verfassungsgerichtshof hob die angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf.

 

Rechtliche Beurteilung:

Der VfGH hob die angefochtenen Bestimmungen des § 110 Abs. 1 Z 1 und § 111 Abs. 2 StPO als verfassungswidrig auf, da sie einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf Datenschutz sowie in das Recht auf Privat- und Familienleben darstellen.

 

Wie Wiederin ausführt, ermöglichen die Regelungen den Strafverfolgungs-organen einen umfassenden Einblick in wesentliche Teile des bisherigen und aktuellen Lebens der betroffenen Person, indem sämtliche Inhalts- und Kommunikationsvorgänge ermittelt und mit anderen Daten verknüpft, abgeglichen und systematisiert werden können (vgl. Wiederin, Privatsphäre und Überwachungsstaat, 2014, 47).

 

Der VfGH sah den Eingriff als unverhältnismäßig an, da die Voraussetzungen für die Sicherstellung vergleichsweise gering sind und es sich um keine tatsächlich "offene" Maßnahme handelt. In einer solchen Konstellation sei aus grundrechtlicher Sicht ein wirksamer Rechtsschutz zu gewähren, der eine richterliche Kontrolle voraussetzt (vgl. VfSlg 19.892/2014; 19.673/2012). Die für die Beschlagnahme von sichergestellten Gegenständen vorgesehene richterliche Bewilligung könne die fehlende richterliche Bewilligung für die Sicherstellung nicht ersetzen.

 

Darüber hinaus verstießen die angefochtenen Bestimmungen auch deshalb gegen § 1 Abs. 2 DSG iVm Art. 8 Abs. 2 EMRK, weil nach der derzeit geltenden Rechtslage kein angemessener Rechtsschutz nach erfolgter Sicherstellung für die betroffenen Personen gewährleistet sei (vgl. Jahnel, Handbuch Datenschutzrecht, 2020, Rz 2/74).

 

Es sei nicht sichergestellt, dass die von einer Sicherstellung Betroffenen während des Ermittlungsverfahrens und im anschließenden (Haupt-)Verfahren einen angemessenen Rechtsschutz haben und hinreichend überprüfen lassen könnten, ob die Sicherstellung rechtmäßig angeordnet und durchgeführt wurde.

 

Bei der Ausgestaltung einer Neuregelung habe der Gesetzgeber das öffentliche Interesse an der Verfolgung und Aufklärung von Straftaten mit den grundrechtlich geschützten Interessen der Betroffenen, insbesondere den Schutz der Geheimhaltungsinteressen und den Schutz der Privatsphäre und des Familienlebens, gegeneinander abzuwägen und entsprechend in Ausgleich zu bringen (vgl. VfSlg 19.892/2014).

 

Dabei seien insbesondere folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:

für welche Straftaten bzw. nach welchen Kriterien eine Sicherstellung und Auswertung von Datenträgern zulässig ist,

  • ob sichergestellt ist, dass die Auswertung eines Datenträgers auf das erforderliche Maß beschränkt ist,
  • ob die Betroffenen in geeigneter Weise jene Informationen erhalten, die zur Wahrung ihrer Rechte im Strafverfahren notwendig sind und
  • (unter Umständen) ob es effektive Maßnahmen einer unabhängigen Aufsicht gibt, welche die Auswertung auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und der gerichtlichen Bewilligung hin überprüft.

 

Den Volltext der Entscheidung finden Sie bei direkt auf der Homepage des Verfassungsgerichtshof.

 

 

Die aktuelle Situation wirkt sich praktisch derzeit noch nicht aus. Die Bestimmungen sind in der bisherigen Form weiterhin anzuwenden, und erst ab 1.1.2025 geltend die neuen Bestimmungen, die es noch nicht gibt. 

 

Die deshalb, da die Aufhebung der Bestimmungen des § 110 Abs 1 Z 1 und Abs 4 sowie § 111 Abs 2 StPO durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 14. Dezember 2023, G 352/2021-46, erst mit Ablauf des 31. Dezember 2024 in Kraft tritt (BGBl I 2023/165). Da der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis nichts anderes ausgesprochen hat, sind diese Bestimmungen daher gemäß Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG weiterhin anzuwenden (RIS-Justiz RS0053996; RS0054186; Muzak , B-VG 6 Art 140 Rz 21, 24 mwN). 

 

Dies wurde vom OLG Graz in einer Entscheidung 05.02.2024, GZ 8Bs33/24z, bestätigt. Die Entscheidung finden Sie bei unserem Kooperationspartner Gesetzefinden.at

 

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