Kann mit einer vertraglichen Regelung eine Ausschlussfrist für Ansprüche nach der DSGVO vereinbart werden?

Das Landesarbeitsgericht Hamburg hat mit Urteil vom 11.06.2024 (3 Sla 2/2024) in einem arbeitsgerichtlichen Fall den möglichen Ausschluss von Ansprüchen nach der DSGVO aufgrund einer vertraglich vereinbarten Ausschlussfrist zu beurteilen. 

 

Die Klausel lautete: 

 

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verhindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich oder in Textform (§ 126 BGB) geltend gemacht werden.

 

Das Gericht hat sich mit der Frage der "Un/Gültigkeit" der Klausel und auch der Frage der Anwendbarkeit auf die DSGVO auseinandergesetzt, und kommt zum Schluss, dass eine (angemessene) Ausschlussfrist zur Geltendmachung der Ansprüche nach der DSGVO zulässigerweise zwischen dem Verantwortlichen und der betroffenen Person vereinbart werden kann, und dies nicht mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar ist.

 

 

d. Dass Ansprüche nach der DS-GVO nicht ausdrücklich vom Verfall ausgenommen sind, führt ebenfalls nicht zu einer Unwirksamkeit der vereinbarten vertraglichen Ausschlussfristenregelung.

 

Die DS-GVO schützt natürliche Personen bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten. Sie sieht Informations- und Auskunftsansprüche des Betroffenen gern. Art. 12 ff. DS-GVO vor und Entschädigungsansprüche nach Art. 82 DSGVO. Die DSGVO und deren Erwägungsgründe treffen allerdings selbst keine Aussage zur Disposivität der in der DS-GVO niedergelegten Betroffenenrechte (vgl. Fuhlrott/Garden, NZA 2021, 530, 532). Fehlt es an einer unionsrechtlichen Regelung des Verfahrens der Rechtsdurchsetzung, ist es nach ständiger Rechtsprechung des EuGH entsprechend dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung, die Verfahrensmodalitäten auszugestalten, die den Schutz der.dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten (vgl. nur EuGH vom 19. Juni 2014, Az. C-501/12 bis C-506/12, C-540/12 C-541/12 Rn. 112; EuGH vom 8. Juli 2010, Az. C-246/09, Rn. 24f. m.w.N.). Die getroffenen Regelungen dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (EuGH vom 19. Juni 2014, Az. C-501/12 bis C-506/12, C-540/12 C-541 /12 Rn. 112).

 

Vertragliche Ausschlussfristen betreffen nicht den Inhalt eines Anspruchs, sondern regeln den Fortbestand eines bereits entstandenen Rechts (BAG vom 9. August 2011, Az. 9 AZR 365/10, Rn. 29). Damit wird die Entstehung der Ansprüche nicht von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht. Der Grundsatz der Äquivalenz ist gewahrt.

 

Die Regelung in § 13 ArbV unterscheidet nicht zwischen Ansprüchen, die auf Unionsrecht beruhen und solchen, die einen ähnlichen Gegenstand und Rechtsgrund haben und aus innerstaatlichem Recht resultieren (vgl. EuGH vom 8. Juli 2010, Az. C-246/09 Rn. 26 m.w.N.- Bulicke).

 

Die vertragliche Regelung verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Effektivität. Die Festsetzung von angemessenen Ausschlussfristen ist als ein Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit grundsätzlich mit dem Erfordernis der Effektivität vereinbar (st.Rspr. des EuGH, vgl. nur EuGH vom 21. Dezember 2016, Az. C-154/15, C-307/15, C-308/15, Rn. 69 - Gutierrez Naranjo; EuGH vom 8. Juli 2010, Az. C-246/09 m.w.N. - Bulicke; EuGH vom 10. Juli 1997, Az. C-261/95 Rn. 28 - Palmisani m.w.N.). Derartige Fristen sind nicht geeignet, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren (vgl. EuGH vom 24. März 2009, Az. C-445/06 Rn. 48 - Danske Slagterier), soweit der Fristlauf nicht vor dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Arbeitnehmer von den anspruchsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt (vgl. EuGH vom 8. Juli 2010, Az. C-246/09, Rn. 41- Bulicke; BAG vom 7. Juli 2020, Az. 9 AZR 323/19; BAG vom 18. Mai 2017, Az. 8 AZR 74/16; Rn. 36).

 

Die vertragliche Regelung knüpft den Fristbeginn an die Fälligkeit des Anspruchs. Fälligkeit auch im Sinne einzelvertraglicher Ausschlussfristen tritt aber nicht ohne weiteres schon mit der Entstehung des Anspruchs ein. Es muss dem Gläubiger vielmehr tatsächlich möglich sein, seinen Anspruch geltend zu machen. Ein Anspruch ist deshalb regelmäßig erst dann im Sinne der Ausschlussfrist fällig, wenn er für den Arbeitnehmer aufgrund der Gesamtumstände erkennbar und durchsetzbar ist (vgl. BAG vom 7. Juni 2018, Az. 8 AZR 96/17, NZA 2019, 44 Rn. 22 m.w.N.; BAG vom 1. März 2006, Az. 5.AZR 511/05, NZA 2006, 783, Rn. 14; LAG Rheinland-Pfalz vom 22. Dezember 2022, Az. 5 Sa 486/21, Rn. 32). Die Ausschlussfrist beginnt daher nicht zu laufen, ohne dass der Klägerin die anspruchsbegründenden Tatsachen überhaupt bekannt sind."

 

 

 

 

 

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Landesarbeitsgericht Hamburg: Urteil vom 11.06.2024 – 3 Sla 2/24
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