Korrespondenz zwischen Baufirma und Bauherrn - Hat der Bauherr ein Recht auf Geheimhaltung oder darf die Baufirma diese Unterlagen dem Nachbarn übermitteln


BVwG 11.02.2025  W256 2247121-1/56E - Datenweitergabe durch Baufirma

 

 

Sachverhalt: Ein Bauherr (Beschwerdeführer) führte eine Datenschutzbeschwerde gegen eine Baufirma.

Zwischen dem Beschwerdeführer und der Baufirma bestand eine Geschäftsbeziehung betreffend die Errichtung eines Doppelwohnhauses , die letztlich in einen Rechtsstreit gemündet hat.

 

Beteiligt daran gewesen sei auch ein Nachbar des Beschwerdeführers, der gegen die Bauführung rechtlich vorgegangen sei, und Organe der Gemeinde als Baubehörde.

 

Am 6. November 2018 hat die Baufirma im Zuge der in diesem Streit geführten Korrespondenz von der Firmen-E-Mail-Adresse ein E-Mail an den Beschwerdeführer gerichtet, das folgenden Absatz enthalten habe: „Aus diesem Grund fordern wir sie auf die ausständigen 20.000.- Euro sofort zu überweisen, ansonsten sehen wir uns gezwungen [..] den gesamten Mailverkehr den benachteiligten Nachbarn auf einem Stick weiterzugeben. […]".

 

Es wurden dann tatsächlich Unterlagen übermittelt.

 

Der Vorwurf in der Beschwerde lautete auf Verstoß gegen Art. 5 DSGVO (Datenminimierung, Zweckbindung) und § 1 DSG (Grundrecht auf Datenschutz, Verletzung der Geheimhaltung).


Zentrale rechtliche Fragen:

  • Besteht ein schutzwürdiges Interesse des Beschwerdeführers an der Geheimhaltung der Baukorrespondenz?
  • Ist die Datenweitergabe durch Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO (berechtigte Interessen) gerechtfertigt?
  • Verhältnismäßigkeit der Datenverarbeitung im Kontext zivilrechtlicher Streitigkeiten.

Kernargumente des Bundesverwaltungsgerichts bzw. der DSB:

  • Legitimes Interesse der Baufirma:
    Die Weitergabe diente der Verteidigung gegen zivilrechtliche Vorwürfe des Bauherrn (Art 9 Abs. 2 lit. f DSGVO analog, der an sich nur auf sensible Daten anwendbar ist). Dies stellt ein berechtigtes Interesse iSd Art 6 Abs 1 lit f DSGVO dar. 

  • Rechtsdurchsetzung des Nachbarn: Der Nachbar hatte ein berechtigtes Interesse an den Daten, um Baurechtsverfahren effektiv führen zu können.

  • Datenminimierung gewahrt: Es wurden nur baubezogene E-Mails weitergegeben, keine privaten Informationen.

  • Interessenabwägung: Das Interesse an effektiver Rechtsverteidigung überwog das Geheimhaltungsinteresse des Bauherrn.

Entscheidende Punkte:

  • Kein absolutes Geheimhaltungsrecht für geschäftsbezogene Daten in laufenden Rechtsstreitigkeiten

  • Art. 9 Abs. 2 lit. f DSGVO als Rechtfertigung auch für nicht-sensitive Daten in Prozesskontexten

  • Klare Abgrenzung zwischen schützenswerten Privatdaten und streitrelevanten Geschäftsdaten

Zusammenfassung für den Rechtsanwender

 

Praktische Kernaussagen:

 

Datenweitergabe zur Rechtsverteidigung ist unter Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zulässig, wenn:

 

  • Konkreter Bezug zum Rechtsstreit besteht
  • Nur erforderliche Daten betroffen sind
  • Abwägung zugunsten des Verantwortlichen/Dritten ausfällt
Beispiel: Weitergabe von Vertragskorrespondenz an Prozessbeteiligte zur Klärung von Haftungsfragen 

Auswirkungen auf die Praxis:

 

Die 

Dokumentation der Interessenabwägung bei streitbezogener Datenverarbeitung wird entscheidend sein

Besondere Sensibilität für die 

Trennung von geschäftlichen und privaten Daten in Korrespondenz
Nachweis der Erforderlichkeit (keine "vorbeugenden" Datenweitergaben)

Typisches Anwendungsszenario:

 

Einbindung externer Sachverständiger in Rechtsstreit 
Informationsaustausch mit Kooperationspartnern bzw. "Mitstreitern" zur eigenen Schadensabwehr oder Durchsetzung von (konnexen) Ansprüchen
Fazit und Handlungsempfehlung für den Verantwortlichen

 

Lehre aus dem Fall: Rechtsdurchsetzung legitimiert begrenzte Datenweitergaben – aber nur bei systematischer Interessenabwägung und strikter Zweckbindung.



Praxis-Check:
Bei drohenden oder existenten Rechtsstreiten immer prüfen:
  • Welche Daten sind für die Verteidigung und/oder Durchsetzung erforderlich bzw. unverzichtbar?

  • Gibt es gelindere Mittel (z.B. Anonymisierung)?

  • Wurde der Betroffene über mögliche Weitergaben informiert (Art. 13 DSGVO)?

Die Entscheidung bestätigt, dass das berechtigte Interesse nach DSGVO ein flexibles Instrument für rechtlich notwendige Datenverarbeitungen ist – vorausgesetzt, die Compliance-Grundlagen sind lückenlos dokumentiert.

 

 


Download
Datenweitergabe durch Baufirma an Nachbarn zur Anspruchsdurchsetzung
BVWGT_20250211_W256_2247121_1_00.pdf
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