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Schadenersatz für GPS-Ortung


Schadenersatz für Arbeitnehmer bei unzulässiger GPS-Ortungsfunktion im Firmenfahrzeug 


Der OGH hat sich in einer Entscheidung, deren Sachverhalt vor DSGVO-Geltungsbeginn spielt, mit der Frage des Schadenersatzanspruches gem. § 1328a ABGB beschäftigt. Die Unterinstanzen sprachen dem Geschädigten EUR 400,-- pro Monat an Schadenersatz für eine unzulässige GPS-Verfolgung im Firmenfahrzeug zu.

 

 

Persönlichkeitsverletzung und Schadenersatz

 

§ 1328a ABGB lautet:

Wer rechtswidrig und schuldhaft in die Privatsphäre eines Menschen eingreift oder Umstände aus der Privatsphäre eines Menschen offenbart oder verwertet, hat ihm den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Bei erheblichen Verletzungen der Privatsphäre, etwa wenn Umstände daraus in einer Weise verwertet werden, die geeignet ist, den Menschen in der Öffentlichkeit bloßzustellen, umfasst der Ersatzanspruch auch eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung.

 

 

Der Sachverhalt

Ein Arbeitgeber hatte bei den – auch privat nutzbaren – FirmenPKW ohne Einwilligung iSd § 10 Abs 1 AVRAG (im betriebsratslosen Betrieb nötig) oder ohne ausreichende Betriebsvereinbarung iSd Art 96 Abs 1 Z 3 ArbVG ein GPS-Ortungssystem im Firmenfahrzeug verbaut und auch genutzt.

 

Die GPS-Daten wurden rund um die Uhr an den Arbeitgeber übertragen, und dort hatten  vier Personen (Geschäftsführer, Vertriebsleiter, Produktionsleiter und Innendienstleiterin) Zugriff auf die Daten. Die Fahrzeuge konnten auch in der Freizeit der Arbeitnehmer geortet werden. Zudem konnte das GPS-System auch den Batteriepegel der Fahrzeuge überwachen und erkennen, wann die Zündung eingeschaltet wird. 

Das GPS-Ortungssystem wurde nicht zur strategischen Vertriebssteuerung eingesetzt.

 

Der Kläger war von 8.5.2017 bis 31.1.2018 beim Beklagten beschäftigt, wurde am 18.12.2017 gekündigt und war von 11.12.2017 bis 1.1.2018 im Krankenstand und auch dienstfrei gestellt.

 

Der Kläger sprach sich mehrmals auch gegen die Verwendung des Systems durch den Arbeitgeber aus, und forderte, die Überwachung zumindest in der Freizeit zu unterlassen.

 

Nach den Feststellungen des Gerichtes brachte die GPS-Ortung für den Kläger erhebliche Unannehmlichkeiten mit sich.

 

Oft wurde er von seinem Vorgesetzten angerufen und gefragt, warum er so spät von daheim weggefahren sei.“
(Zitat aus der Entscheidung)

 

Der Kläger wollte nicht, dass sein Privatleben durch die GPS-Ortung des Dienstfahrzeugs kontrolliert und überwacht wird,  und fuhr auch nicht mit dem Dienstfahrzeug, sondern mit einem anderen Auto auf Urlaub.

 

Der Kläger forderte EUR 6.000,-- an immateriellem Schadenersatz (EUR 1.000,-- pro Monat der Überwachung), und das Erstgericht (Arbeits- und Sozialgericht) sprach ihm unter Anwendung des § 273 ZPO einen Betrag von EUR 2.400,- (daher EUR 400,-- pro Monat) zu. Dieser Betrag wurde vom OLG Linz bestätigt und in der Revision an den OGH nicht mehr thematisiert.

 

Der OGH thematisiert in der Entscheidung den Eingriff in die Privatsphäre und verweist auch auf die Judikatur zu Art 96 Abs 1 Z 3 ArbVG (Kontrollmaßnahme die die Menschenwürde berührt).

 

„Ein immaterieller Schadenersatzanspruch nach § 1328a ABGB steht dem Verletzten nur bei „erheblichen“ Verletzungen der Privatsphäre zu. Die „Erheblichkeitsschwelle“ ist eine allgemeine Schranke für Ansprüche auf Ersatz immaterieller Schäden bei Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte. Bei Beurteilung der Erheblichkeit eines Eingriffs kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an: Je „privater“ ein Umstand ist, in den eingegriffen oder der verwertet wird, je schwerwiegender das Verschulden des Störers ist und je gravierender die Folgen für den betroffenen Menschen sind, desto eher ist an immaterielle Schadenersatzansprüche zu denken.“

 

 

Fazit:

Der „überwachte Mitarbeiter“ bekam vom Arbeits- und Sozialgericht Linz pro Monat der unzulässigen Überwachung durch ein GPS-Ortungssystem im Firmenfahrzeug einen Betrag von EUR 400,-- zugesprochen, da er einem „Überwachungsdruck“ ausgesetzt war und auch vom Arbeitgeber mehrmals  telefonisch angesprochen wurde, „warum er so spät von daheim weggefahren sei“.

 

Der Kläger hat sich auch gegen die Verwendung des GPS-Ortungssystems ausgesprochen, und der Arbeitgeber hat sich darüber hinweggesetzt, und dies führte zu beträchtlichen Unannehmlichkeiten für den Kläger.

 

Der OGH dazu wörtlich:

„Nach Lage des Falls kann nicht von einem unerheblichen Eingriff in Persönlichkeitsrechte ausgegangen werden. Vielmehr liegt eine erhebliche Verletzung der Privatsphäre des Klägers iSd § 1328a Abs 1 ABGB vor. Damit erweist sich der Zuspruch eines Schadenersatzes iSd § 1328a ABGB an den Kläger als berechtigt.

 

 

DSGVO

Die DSGVO spielte im ganzen Verfahren keine Rolle, da der Sachverhalt sich zur Gänze vor dem 31.1.2018 abgespielt hat. Ob die Angelegenheit im Anwendungsbereich des Art 82 DSGVO und in Ansehung der Entscheidung des OLG Innsbruck zum Schadenersatz bei der unzulässigen Verarbeitung der Parteienaffinität durch die Post anders zu sehen ist, bleibt abzuwarten.

 

Der Schaden, den der Kläger hier geltend gemacht hat, waren die mehrmaligen Anrufe wegen „verspäteter Abfahrt von daheim“ und der Überwachungsdruck, der durch die Verwendung des GPS-Systems entstanden ist, der auch dazu geführt hat, dass der Arbeitnehmer für private Fahrten einen anderen PKW verwendete.

 

 

Auswirkungen für die Praxis:

Diesen Entscheidung des OGH kann für unzulässige Verarbeitungen iSd Art 96 Abs 1 Z 3 ArbVG oder iSd § 10 Abs 1 AVRAG(Kontrollmaßnahmen, die die Menschenwürde berühren ohne Betriebsvereinbarung oder Einzelvereinbarung; oder auch in Verletzung der Betriebsvereinbarung) erhebliche Folgen haben.

Werden die arbeitsverfassungsrechtlichen und/oder datenschutzrechtlichen Normen nicht eingehalten, und führt dies zu einem „Überwachungsdruck“ und einem Eingriff in die Privatsphäre dann droht uU erheblicher Schadenersatz.

 

Überwachte Mitarbeiter*Innen, die einem (unzulässigen) Überwachungsdruck ausgesetzt sind oder waren und in deren Privatsphäre eingegriffen wird oder wurde, können Schadenersatzansprüche für die Dauer der unzulässigen Verarbeitung ihrer Daten bzw. den Eingriff in die Privatsphäre geltend machen.

 

 

Diese Ansprüche verjähren binnen 3 (drei) Jahren nach Kenntnis von Schaden und Schädiger, und es könnte daher sein, dass auch ausgeschiedene Mitarbeiter*Innen noch rückwirkend derartige Ansprüche geltend machen, wenn die datenschutzrechtlichen bzw. die arbeitsverfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Verarbeitung der Daten nicht gegeben waren oder sind. 

 

 

05.05.2020, Autor:

Michael Schweiger, zert DSBA


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